Bundesweit erste Auszeichnung eines LuchsWaldes bei Nordhausen. Foto: Ivonne Przemuß.
Turbulenter Jahresbeginn 2022: erste LuchsWald-Auszeichnung, Start der LuWo-App, ein abgeschossener Luchs, drei überfahrene Wölfe und einige überfahrene Wildkatzen. Wir haben noch viel zu tun!
Es war ein ereignisreicher Einstieg in das neue Jahr! Im Januar konnte der NABU Thüringen den bundesweit ersten LuchsWald bei Nordhausen auszeichnen. Maik Engelhardt, ein engagierter Waldbesitzer in der Region, hatte sich dafür beim NABU Thüringen beworben. Schnell stellte sich heraus, dass sich in seinem Wald auch der Luchs blicken lässt. Wiederholt konnte Maik Engelhardt Bilder von den heimlichen Raubkatzen mit einer Kamerafalle in seinem Wald aufnehmen. Ein Ortstermin brachte Klarheit: so einen schönen Wald findet man kaum noch! Alte Eichen und Buchen dürfen einfach stehen bleiben. Keine Holznutzung, viel Tot- und Habitatholz. Das gefällt auch dem Luchs!
Nach einer im Januar 2022 vorgestellten Studie der Professur für Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wissen wir, dass Luchse menschliche Siedlungen und Infrastruktur meiden. Luchse orientieren sich vorzugsweise an Versteckmöglichkeiten sowie an dem Vorkommen von Beutetieren.
Hier unter dem Link geht es zur Studie 👇
http://Menschen zu meiden, ist für Luchse wichtigster Faktor bei Lebensraum-Wahl
Diese neuen, aber nicht unerwarteten Erkenntnisse machen deutlich, wie wichtig der Schutz potentieller Luchslebensräume und -wanderwege ist. LuchsWälder können dem Luchs ganz konkret dabei helfen, sich besser zu vernetzen und auch ungestört Nachwuchs groß zu ziehen. Mehr Ruhe in den Wäldern kann nicht schaden. Darüber hinaus sind wir in Thüringen, sowie in Deutschland und den EU-Mitgliedsstaaten über die sogenannte Flora-Fauna-Habitatrichtlinie 92/43/EWG sogar dazu verpflichtet, bekannte Rückzugsorte und Lebensräume der Luchse explizit zu schützen.
Luchs, illegaler Abschuss, Totfund bei Buttstädt (Lkr. Sömmerda, Thüringen) am 03.01.2022. Foto: Kriminalpolizeiinspektion Erfurt / Bundespolizei.
Umso trauriger war der Fund eines abgeschossenen Luchses bei Buttstädt (Lkr. Sömmerda) gleich zu Beginn des Jahres. Hier ermittelt die Polizei aktuell noch zu den Tatumständen. Denn der junge männliche Luchs aus der sogenannten Harzer Population wurde offenbar nicht dort getötet, wo er aufgefunden worden ist, nämlich auf den Gleisen der ICE-Strecke bei Buttstädt. Wollte hier jemand seine Tat vertuschen? Momentan sind noch viele Fragen offen. Dass die Luchse aus dem Harz auch nach Thüringen einwandern ist eigentlich nichts neues. Dies passiert schon seit Jahren. Gerade nördlich von Buttstädt liegen mit der Finne und der Hohen Schrecke schöne Waldgebiete, die über den Kyffhäuser mit dem Harz verbunden sind. Offenbar ist der Luchs kaum in der Region angekommen, wurde er abgeschossen. Um die Luchse besser zu schützen, ist es also von zentraler Bedeutung, dass wir aktuelle Daten über Luchsvorkommen haben. Denn nur wenn wir wissen, wo Luchse neu auftauchen, sich eventuell auch niederlassen und umherstreifen, können wir die Bevölkerung sensibilisieren und in den Schutz der Tiere einbeziehen. Illegale Abschüsse lassen sich so zukünftig vielleicht vermeiden. Für schnelle Meldungen stellt der NABU Thüringen seit Februar 2022 seine LuWo-App der breiten Bevölkerung zur Verfügung. Damit können Beobachtungen zu Luchs und Wolf ganz unkompliziert und auf direktem Wege dem NABU Thüringen gemeldet werden. Die Beobachtungsdaten werden nach einer ersten Auswertung durch den NABU Thüringen umgehend an die zuständigen Fachbehörden weitergeleitet.
Hier unter dem Link geht es zur LuWo-App 👇
https://thueringen.nabu.de/news/2022/31157.html
Dennoch lassen sich auch durch vergleichsweise schnelle Meldungen Verkehrsunfälle mit Wölfen, Wildkatzen und Luchsen nicht vermeiden. Allein im Januar und Februar des noch recht jungen Jahres starben gleich drei Wölfe im Thüringer Straßenverkehr.
Wolf, Verkehrsopfer auf der A38 bei Breitenworbis am 22.02.2022. Foto: Frau Wojtas.
Ebenso wurden dem NABU Thüringen im selben Zeitraum drei tote Wildkatzen gemeldet, die im Straßenverkehr ums Leben kamen.
Wildkatze, Verkehrsopfer auf der L1625 bei Kloster Veßra am 13.02.2022. Foto: A. Hammer.
Durch die Vielzahl an Verkehrsopfern wird deutlich, dass es noch sehr viel zu tun gibt. Insbesondere wenn es um verkehrspolitische Entscheidung beim Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur geht. Hier müssen die Bedürfnisse insbesondere wandernder Tierarten bei der Planung im Straßenbau mehr Berücksichtigung finden. Der NABU hat mit seinem bereits 2007 veröffentlichten Bundeswildwegeplan klare Forderungen aufgestellt, die bei Umsetzung entsprechender Vorhaben an neuralgischen Verkehrsknotenpunkten für die Entschärfung von potentiellen Gefahrenstellen für Mensch und Tier sorgen können. In Thüringen geht es dabei konkret um sieben Querungshilfen und Grünbrücken, die dringend eingerichtet werden müssen. Bislang jedoch ist nicht viel passiert. Wir bleiben dran!
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Verkehrsopfer ist es unverständlich, dass hierzulande weiter Stimmung gegen den Wolf gemacht wird. In Thüringen gibt es aktuell etwas mehr als eine Hand voll standorttreuer Wölfe. Dank effektiver Herdenschutzmaßnahmen, die vom Freistaat gefördert werden, sind die Wolfsrisse im letzten Jahr (2021) auf Null zurückgegangen. Den Forderungen, verschiedener Parteien und Interessensgruppen, nach einer Bejagung von Wölfen erteilt der NABU Thüringen eine klare Absage.
Eine Aufnahme des Wolfes in das Bundesjagdrecht ist aus Sicht des NABU Thüringen nicht nur sinnfrei, sondern würde auch Probleme bei der Klärung von behördlichen Zuständigkeiten verursachen, da der Wolf schon dem Naturschutzrecht unterliegt. Der Wolf ist durch internationale und nationale Gesetze streng geschützt. In der Europäischen Union unterliegt er den Anhängen II, IV und V der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Auf Bundesebene ist der Wolf durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Er hat damit den höchstmöglichen Schutzstatus, welcher ohnehin eine Bejagung des Wolfes ausschließt. Davon unberührt ist die Tatsache, dass der Umgang mit einzelnen sogenannten “auffälligen” Wölfen durch die Managementpläne der Länder bereits geregelt ist, dafür braucht es nicht das Jagdrecht. Der NABU bekennt sich zu einer naturverträglichen Jagd – vorausgesetzt, sie entspricht den Kriterien der Nachhaltigkeit und den ethischen Prinzipien. Aber noch immer sind viel zu viele Arten im Katalog der jagdbaren Arten enthalten, die dort schon lange nichts mehr zu suchen haben. Dazu gehören unter anderem auch Luchs und Wildkatze.
Der NABU Thüringen fordert von den Politiker, die sich für die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht stark machen, sich aktiv für die Unterstützung von Weidetierhaltern einzusetzen. An deren schlechter wirtschaftlicher Situation, insbesondere die von Schäfern, würde auch eine Bejagung von Wölfen nichts ändern, denn es werden immer wieder neue Wölfe nachrücken. Ebenso würde eine Jagd auf Wölfe auch nicht den notwendigen Herdenschutz ersetzen. Die Zukunft ist ein gemeinsames Miteinander von Mensch, Weidetierhaltung und Wolf. Das wünscht sich auch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung.