Unter Segeln für den Schutz von Nord- und Ostsee

Zehn Tage lang waren mehr als 30 NABU-Aktive mit dem Traditionssegler „Ryvar“ unterwegs und haben sechs Häfen besucht und drei Fachgespräche bzw. Podiumsdiskussionen durchgeführt. Hunderte Menschen waren bei uns an Bord oder an den Infoständen der „NABU macht Meer“-Tour und haben sich über die aktuellen Herausforderungen im Meeresschutz informiert. Unsere Botschaft ist klar: Deutschland braucht einen Kurswechsel in der Meerespolitik. 50 Prozent der Schutzgebiete müssen der Natur vorbehalten sein und eine eigene Meeresschutzbehörde muss aufgebaut werden.

250 Seemeilen für zwei besondere Meere

Vor unserer Haustür liegen zwei ganz besondere Meere. Die Nordsee als größtes Wattenmeer mit über 10.000 Arten und ihrem Mosaik von Schlick- und Wattflächen, Sandbänken und Salzwiesen ist das Drehkreuz des internationalen Vogelzugs. In der Ostsee, dem weltgrößten Brackwassermeer treffen sich die Arten in einem Lebensraum zwischen süß und salzig. Wir beobachten Seegraswiesen und Heringe neben Tausendblatt und Flussbarsch. Hier lebt auch unser einziger heimische Wal, der Schweinswal. Doch beiden Meeren geht es nicht gut. Neben einzigartigen Naturmomenten musste die Crew aus Naturschützern und Wissenschaftlern daher auch die weit fortgeschrittene Industrialisierung an unseren Küsten erleben. Offshore-Industrie, Fischerei, Schifffahrt oder Plastikvermüllung – die Belastungen sind allgegenwärtig.

Erste Ergebnisse der Wissenschaft

Mitarbeiter der Hochschule Magdeburg-Stendal setzten an Bord der „Ryvar“ eine neue Methode der Mikroplastik-Erfassung ein. Tausende Liter Meerwasser wurden entlang der Route über eine Membranpumpe gefiltert und werden jetzt im Labor quantitativ ausgewertet. Schon an Bord zeigten erste mikroskopische Untersuchungen, dass in jeder Probe Plastikfragmente und Textilfasern zu finden sind.

Für viele überraschend war, wie laut die Nord- und Ostsee heute sind. An sechs Stationen in verschiedenen Meeresschutzgebieten führte das Institut für Technische und Angewandte Physik aus Oldenburg Unterwasserschallmessungen durch. Schon die Hintergrundbelastung von 120 bis zu 140 Dezibel stellt für Schweinswale eine große Belastung dar. Näherte sich ein Containerschiff oder eine Fähre, so stieg der Wert um sechs bis zehn Dezibel an, was mehr als einer Verdopplung der Lärmbelastung entspricht. Aufgrund unterschiedlicher Bezugssysteme und Schallgeschwindigkeiten entsprechen 145 Dezibel unter Wasser etwa 85 Dezibel an Land, dem Lärm an einer Hauptverkehrstrasse.

In der Elbmündung führte der NABU auch eigene Messung zu den ultrafeinen Rußpartikeln aus Schiffsemissionen durch. Dabei wurde der bis zu 200fache Wert gegenüber der Hintergrundbelastung gemessen. Eine große Gefahr für Mensch und Umwelt. Denn noch immer fahren Schiffe mit dreckigem Schweröl und die Branche verpasst es, die Weichen für innovative Schiffsantriebe, saubere Kraftstoffe und eine effektive Abgasreinigung  zu stellen.

Schlussfolgerungen und Forderungen des NABU:
  •  Aufbau einer nationalen Meeresschutzbehörde in Deutschland
  •  50 Prozent der Meeresschutzgebiete müssen ungenutzt bleiben
  • Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten und Reinigungsmitteln, verbesserte Abwasserbehandlung
  • Weniger Schiffslärm durch Geschwindigkeitsanpassungen und technische Innovation (z.B. Propellerdesign)
  • Verbot von Schweröl und verpflichtende Abgasbehandlung in der Seeschifffahrt

Eine Meeresschutzbehörde für Deutschland

Nach Roter Liste gelten ein Drittel der Arten und Lebensräume in Nord- und Ostsee als bedroht. Doch unsere heutige Verwaltungspraxis kann in ihrer sektoralen Komplexität den zunehmenden Verlust der Biodiversität nicht aufhalten. Es gibt keine gemeinsame Verantwortung der Bundesregierung. In der Praxis betreiben die Ressorts aus Landwirtschaft, Wirtschaft oder Verkehr viel zu oft Klientelpolitik für die Fischerei, die Offshore-Branche oder die Seeschifffahrt. Der Meeresschutz ist auf Schadensbegrenzung beschränkt und muss sich mit schwachen Kompromissen zufrieden geben.

Nur mit großer Mühe konnte eine weitere Schwächung des Meeresnaturschutzes im gerade novellierten Bundesnaturschutzgesetz verhindert werden. Daher ist ein Systemwechsel nötig. Deutschland braucht eine dem Bundesumweltministerium nachgeordnete Meeresschutzbehörde. Darin müssen Kapazitäten und Kompetenzen für den effektiven Schutz und eine nachhaltige, wirtschaftliche Entwicklung gebündelt werden. Lernen können wir dabei zum Beispiel vom „National Oceans Office“ Australiens.

Eine erste Bilanz: erschöpft, zufrieden, motiviert

Knapp zwei Wochen auf der „Ryvar“ haben auch an den Kräften der NABU-Crew gezehrt. Glücklich und müde ging die Tour am vergangenen Freitag in Hamburg zu Ende. Jeden Tag gab es Fachformate, wurden Gespräche mit Politikern und Urlaubern geführt und wissenschaftliche Daten erhoben.

„NABU macht Meer“-Crew in Hamburg vor der Elbphilharmonie – Foto: NABU/Volker Gehrmann

 

 

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Dabei ist es das große Engagement der vielen Aktiven aus dem Haupt- und Ehrenamt, das uns Mut macht. Es bedarf unser aller Anstrengungen, um Schweinswalen und Sterntauchern, Weichkorallen und Seegraswiesen an unseren Küsten eine sichere Zukunft zu geben. Die Nord- und Ostsee sind den Menschen in Deutschland wichtig. Das muss die Politik jetzt verstehen und dafür den geeigneten Rahmen vorgeben, erst recht vier Wochen vor der Bundestagswahl.

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