Vielfältiger Speisepan: Nachlese zur Futtersituation der Käuze
Die Nest-Saison 2017 ist für das Berliner Waldkauzpaar vorüber. Außerhalb des Nestes geht die harte Arbeit des Jungenfütterns zwar noch weiter, aber wir werden vermutlich kaum mehr Fütterungen mit der Webcam aufzeichnen können. Zeit, das Nahrungsspektrum unserer Käuze genauer zu analysieren.
Dank der modernen Technik können wir jede einzelne Fütterung nachvollziehen und die Beutetiere meist gut bestimmen. Wir arbeiten gerade an dieser Auswertung und werden hier demnächst einen „Endstand“ des Speiseplans einstellen.
Früher konnte man nur über die Analyse der Gewölle, also der ausgewürgten unverdaulichen Futterreste mit Haaren, Knochen und Federn, feststellen, was die Eulen gefressen haben. Das werden die Kollegen vom NABU Reinickendorf auch diesmal machen. Auf den Vergleich der Ergebnisse der traditionellen Methode mit der Webcam können wir gespannt sind. Sicher ist, dass anhand der Knochen in den Gewöllen, die Art der Mäuse ganz genau bestimmt werden kann. Das geht allein über die Kamera nicht, denn im Infrarotlicht sieht eine Langschwanzmaus-Art aus wie jede andere.
Wir sind nicht die ersten, die über die Nahrung von Waldkäuzen in Berlin forschen. Es gab einen bedeutenden Vorgänger: Dr. Victor Wendland. Daher bringen wir an dieser Stelle einen von Hans-Jürgen Stork vom NABU Reinickendorf zusammengestellten sehr interessanten Beitrag über seine Pionierarbeit auf dem Feld der Waldkauz- und Ökologieforschung.
Ein Vergleich mit den Daten aus den langjährigen Beobachtungen von Dr. Wendland zeigt u.a., dass der Bruterfolg unseres Paares in Reinickendorf mit drei ausgeflogenen Jungen sehr gut war, und gleichzeitig, dass der Anteil der Langschwanzmäuse als Beute gegenüber dem Vogelanteil ausgesprochen hoch war. Diese beiden Faktoren scheinen zusammenzuhängen. Aber lesen Sie selbst.
Räuber-Beute-Beziehungen
Von Hans-Jürgen Stork
Auf leisen Schwingen und mit scharfen Ohren fliegt der Waldkauz im Dunkeln auf die im Laub raschelnde Maus zu und packt sie mit ihren scharfen Krallen. Ein Biss in den Hinterkopf führt zum schnellen Tod des kleinen Nagetiers. Der nächtliche Räuber „baumt“ dann auf und verschluckt das Beutetier recht schnell in einem Stück. Erst der Magen entscheidet, dass Fell, Knochen und Zähne nicht verdaulich sind. Seine Bewegungen formen dann aus diesen Resten einen länglichen Speiballen, der wegen der darin enthaltenen Haare „Gewölle“ heißt. Gewölle von Eulen lassen sich unter Schlaf-, Rast-, Nistbäumen und auch aus Nisthöhlen sammeln und ihre Inhalte wissenschaftlich studieren. Damit befasst sich auch die „Gewöll- und Rupfungskunde“, die dann viel mehr noch über alle Nahrungstiere von Eulen und Greifvögeln aussagen kann.
In Berlin hat sich schon vor 60 Jahren ein bedeutender Naturschützer vom Deutschen Bund für Vogelschutz DBV (heute Naturschutzbund Deutschland (NABU)) mit der Nahrungsökologie der Eulen der Berliner Wälder befasst. Dr. Victor Wendland (†) sammelte bei seinen vielen Begehungen im Grunewald und im Spandauer Forst regelmäßig die Gewölle von Waldkäuzen und Waldohreulen auf und analysierte ihre Inhalte, bestimmte die Beutetiere, auch ihre Menge und Anteile im Laufe von über zwölf Jahren. Die Ergebnisse dieser akribischen Arbeit hat Wendland in einigen Aufsehen erregenden wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht.
Bevorzugte Beutetiere
Aus der folgenden Tabelle ist zu entnehmen, dass nicht nur kleine Nagetiere gefressen wurden, sondern auch noch viele andere Wirbeltiere. Bevorzugte Beute waren die Gelbhalsmäuse – auch wohl wegen ihres relativ häufigen Vorkommens in den Berliner Wäldern. Waren sie häufig und leicht zu fangen, traten andere Mäusearten oder Vögel in den Hintergrund.
Wendland hielt als Vogelkundler auch noch andere Beobachtungsdaten in seinem Tagebuch fest. Lebensweise der Eulen und die Veränderungen ihrer Lebensräume fanden sein besonderes Interesse. Brutbestände und Bruterfolg wurden sehr genau untersucht.
Vermehrung der Waldkäuze des Berliner Grunewalds von 1958—1971
Als durchschnittlich kann man bei der Grunewaldpopulation den jährlichen Bruterfolg bezeichnen, wenn etwa die Hälfte der Paare Junge hochzieht. Über die Jahre dokumentierte Wendland 107 erfolgreich brütende Waldkauz-Paare.
Diese 107 Paare hatten 214 Junge, d. h. im Durchschnitt genau 2 Junge pro erfolgreich brütendem Paar. Die Zahl der flüggen Jungvögel pro Paar verteilte sich dabei wie folgt:
30 Paare (28,0 %) hatten je 1 Junges,
50 Paare (46,6 %) je 2 Junge,
25 Paare (23,3 %) je 3 Junge,
1 Paar ( 0,9 % ) 4 Junge und
1 Paar ( 0,9 %) 5 Junge = 5 Junge
Gelbhalsmäuse als Indikator für Bruterfolg
Dr. Wendland stellte dabei fest, dass in Jahren mit einem hohen Anteil von Gelbhalsmäusen an der Gesamtzahl der Beutetiere, der Anteil erfolgreich brütender Waldkauzpaare besonders hoch war, wie aus nachfolgender Grafik hervorgeht.
In einem dreijährigen Zyklus hoher Anteile der Gelbhalsmäuse in den Gewöllen spiegelt sich ein entsprechender Zyklus der Bestände dieser Mäuseart im Grunewald wider. Alle drei Jahre hatten auch die Waldkäuze viel Nachwuchs, da sie dann entsprechend schnelles und gutes Jagdglück hatten. So konnten mehr Waldkauz-Paare zur Brut schreiten und wohl auch mehr Junge groß ziehen.
Die Bestände von Räuber und Beute schwankten somit in einem fast synchronen dreijährigen Rhythmus. Die Anzahl der Räuber zeigte sich abhängig von der Anzahl der leicht zu fangenden Beutetiere. Dies bestätigt die in der ökologischen Forschung häufig wiederzufindenden Regeln von Lotka und Volterra.
Die Waldkäuze aus Berlin konnten so sogar als Beispiel für eine typische Räuber-Beute-Beziehung Eingang in ein Hochschullehrbuch finden.
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3 Kommentare
Berta
16.05.2017, 15:56Super, vielen Dank für den interessanten Bericht!
Sabine
10.05.2017, 14:11Sehr interessanter Bericht und schöne Bilder !! Wurde die Arbeit von Dr. Wendland eigentlich weitergeführt, oder sind die Ergebnisse so ausreichend ?
Bernhard
10.05.2017, 11:22Wow sehr ausführlicher und interessanter Bericht, Danke!