Nicht nur die eingeschweißte Gurke ist das Problem

Alle regen sich über die eingeschweißte Gurke auf. Eine neue NABU-Studie über Verpackungen bei Obst und Gemüse zeigt aber, dass nicht allein die Gurke wieder „ausgepackt“ werden muss. Es ist tatsächlich erschreckend, wie viele Tonnen Obst und Gemüse schon vorverpackt verkauft werden, beispielsweise in Plastikschalen mit oder ohne Deckel, in Folien, in Pappschalen, in Holznestern oder in Netzen. Im Jahr 2014 waren 60 Prozent des Obstes und sogar 66 Prozent des Gemüses vorverpackt (Obst und Gemüse, das private Haushalte im Einzelhandel oder auf dem Wochenmarkt gekauft haben).

Kunststoff dominiert diese Verpackungen und nimmt stetig zu: zwischen 2000 und 2014 ist der Kunststoffbedarf bei Gemüse um 164 Prozent gestiegen, bei Obst um 78 Prozent. Die Knotenbeutel aus Kunststoff zum selber Abreißen sind hier noch nicht einmal berücksichtigt. Problematisch ist, dass nicht nur immer mehr Obst und Gemüse schon vorverpackt angeboten wird, sondern dass die Verpackungen auch materialintensiver werden und/oder die Packgrößen kleiner. Ein Beispiel: 2014 wurden elf Prozent Tonnen mehr Tomaten vorverpackt verkauft als 2010. Gleichzeitig stiegen für Tomaten der Bedarf an Papier und Pappe um 15 Prozent und der Kunststoffbedarf sogar um 46 Prozent!

 

Zur Studie

 

90.000 Tonnen Verpackungsmüll im Jahr

Der Handel findet für jede Verpackung ein Argument, und versetzt man sich in seine Rolle, sind die Argumente oft sogar gut nachvollziehbar. Meistens geht es um Hygiene, Trennung von Bio-Ware und konventioneller Ware, Haltbarkeit und Kundenpräferenzen. Aber es geht auch um Kosteneinsparung: Kunststoffschalen mit Deckel lassen sich beim Transport sehr gut stapeln, vorverpackt kaufen die Leute oft mehr als sie sonst gekauft hätten und wer braucht noch geschultes Personal an der Kasse, wenn man die Verpackung nur noch über den Scanner zieht und fürs Wiegen nicht mehr wissen muss, um was für Obst oder Gemüse es sich eigentlich handelt?

Verpackgungsmenge bei vorverpacktem Obst und Gemüse:

Doch der Nebeneffekt sind knapp 90.000 Tonnen Verpackungsmüll jährlich in Deutschland allein für Vorverpackungen bei Obst und Gemüse. Angesichts dieses Müllberges ist es höchste Zeit, nach Lösungen zu suchen statt weiter nur nach Argumenten für Vorverpackungen. Ein positives Beispiel ist die Banane: 2014 wurden 23 Prozent weniger Bananen vorverpackt verkauft als 2010 und im gleichen Zeitraum ist der Kunststoffbedarf für die Vorverpackungen sogar um 44 Prozent zurückgegangen. Leider ist die Banane die Ausnahme.

Die eingeschweißte Gurke als Symbol

Die eingeschweißte Gurke hält angeblich fünf Tage länger, was den Handel freut, wenn die Gurke 1.000 Kilometer oder mehr transportiert werden muss. Leider sind auch Gurken aus Deutschland immer öfter eingeschweißt. Schön wäre hier: mehr regionale Gurken und keine Anspruchshaltung der Kunden, dass ein frisches landwirtschaftliches Produkt wie die Gurke ewig halten muss.

Anteile der Verpackungsarten bei Obst und Gemüse, das private Haushalte im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt kaufen (Basis: GVM 2015) - Grafik: NABU

Anteile der Verpackungsarten bei Obst und Gemüse, das private Haushalte im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt kaufen (Basis: GVM 2015) – Grafik: NABU

Da die Folie bei eingeschweißten Gurken sehr dünn ist, ist das Verpackungs­aufkommen im Vergleich zu Tomaten oder Möhren gering. Schaut man nur auf die absoluten Zahlen, machen wir in Deutschland aktuell 23 Mal mehr Müll für Tomaten als für Gurken. Die Gurke ist also vor allem ein wichtiges Symbol, aber die Stellschrauben für Abfallvermeidung liegen vor allem bei Tomaten, Möhren, Kernobst, Steinobst und Trauben.

Alternativen zum Knotenbeutel

Mehrwegnetze sind eine Alternative zum Knotenbeutel - Foto: NABU/K. Istel

Mehrwegnetze sind eine Alternative zum Knotenbeutel – Foto: NABU/K. Istel

Es ist wichtig, eine Alternative für den Knotenbeutel aus Kunststoff zu finden. Nur noch Papiertüten anzubieten ist keine ausreichende Lösung: Die Papiertüten haben keine bessere Ökobilanz als die Kunststofftüte, solange beide richtig entsorgt werden und nicht in der Natur landen. Die Tüten sind immer aus Frischfaser, da die berechtigte Befürchtung besteht, dass aus Altpapier Druckfarbenreste in die Lebensmittel migrieren.

Daher brauchen wir mehr Möglichkeiten, dass Kunden die Ware hygienisch zur Kasse und in die eigene Einkaufstasche transportieren können. Mehrwegbeutel- und Netze wären eine Lösung oder kleine Schalen, die in die Einkaufswagen gehängt werden können. In großen Supermärkten ist die Aufgabe nicht trivial, da die Kassen das Gewicht der Mehrwegbeutel oder Schalen ja abziehen müssen. Es soll schließlich niemand mehr zahlen, nur weil man umweltfreundlich eigene Gemüsebeutel mitgebracht hat.

Aber: Die NABU-Studie zu den Vorverpackungen zeigt, dass erst einmal ein Großteil der Ware wieder ausgepackt werden muss, bevor Kunden überhaupt entscheiden können, beim Obst- und Gemüsekauf einen Einwegbeutel zu nehmen oder einen eigenen Mehrwegbeutel mitzubringen. Aktuell ist es wesentlich materialintensiver Trauben in einer Plastikschale mit Deckel zu kaufen als einen Knotenbeutel für lose Trauben zu nutzen.

Lebensmittelhandel und Kunden sind gefragt!

Der Lebensmitteleinzelhandel muss also zweierlei tun: Erstens muss er das Obst und Gemüse wieder auspacken und lose anbieten. Nur bei wenigen Sorten ist eine Vorverpackung wirklich notwendig, wenn möglichst regionale Ware angeboten wird. Zweitens muss der Handel Kunden anbieten, sogar auf den Knotenbeutel oder die Papiertüte zu verzichten beispielsweise durch Mehrweglösungen oder kleine Schalen, auf die die Kassen geeicht sind, damit Kunden hier keine finanziellen Nachteile haben.

Lose oder verpackt: Manchmal hat der Kunde die Wahl - Foto: NABU/K. Istel

Lose oder verpackt: Nicht immer hat der Kunde die Wahl – Foto: NABU/K. Istel

Dass dies auch bei den Kunden gut ankommen würde, zeigt eine Umfrage des NABU: Drei viertel der Kunden kaufen Obst und Gemüse bevorzugt ohne Verpackung und 85 Prozent würden, wenn es möglich wäre, gerne einen eigenen Beutel zum Einkauf von Obst und Gemüse mitnehmen, um weniger Plastikmüll zu machen.

Die Studie hat gezeigt, dass es angesichts 60 Prozent vorverpackte Obst du Gemüses gar nicht so einfach ist, im hektischen Alter ohne Vorverpackungen einzukaufen. Aber dennoch sind auch die Kunden gefragt, möglichst zur losen Ware zu greifen, sich bei den Supermärkten zu beschweren und auch nicht jeden neusten Trend beispielsweise bei Convenience oder To-Go-Angeboten mitzumachen. Plastikverpackungen, die geschälte Bananen oder Orangen verpacken darf nicht die Zukunft gehören.

Weiterführende Informationen:

Mehr dazu auch unter „Weniger ist mehr – Beispiele für neue Verpackungskonzepte“:

Unverpackt einkaufen – Beispiele für neue Verpackungskonzepte

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Katharina Istel
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4 Kommentare

Simone

06.06.2016, 20:38

Hallo bitte mal Tante Trine in Recklinghausen aufnehmen, Eröffnung ist am 2.7.2016 :-) Gruß Simone

Benni

04.06.2016, 11:05

Mittlerweile werden immer öfter Läden im deutschsprachigem Raum eröffnet, die ein Einkaufen ohne Verpackungen ermöglichen. Leider beschränken sich diese Läden noch auf Großstädte wie Köln, Berlin oder Hamburg. Ich finde das Konzept sehr interressant und hoffe, dass es sich durchsetzt.

Der NABU

06.06.2016, 08:40

Ja, das hoffen wir auch. Zum Glück gibt es immer mehr dieser "Unverpackt"-Läden. Erst letzte Woche hat einer in Stuttgart eröffnet. Eine Übersicht von Unverpackt-Läden findest Du unter www.NABU.de/unverpackt

Eleonore Schöps-Polack

03.06.2016, 16:14

Ich versuche allen Plastik zu umgehen.Früher wurde das Brot und die Brötchen ohne Plastik verkauft. Deutschland versingt in Plastik Müll. Ich kann die vollen Plastik Regale nicht mehr sehen. Die Verpackung ist größer als der Inhalt. Das in Plastik verppackte Obst, Gemüse, Salate riechen sogar unangenehm nach Schimmel. Danke ,daß das Thema angesprochen wird. Hoffentlich erfolgt durch die Konsumenten endlich ein Umdenken :-)¤

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