Von Wind und Wasser geformt

Liebe LeserInnen,

die Insel Trischen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Inseln im schleswig-holsteinischen Nationalpark Wattenmeer. Der prägnanteste Unterschied aber ist ihre Unberührtheit. Bis Mitte der 40er Jahre wurde Trischen noch vom Menschen bewirtschaftet und durch umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen beeinflusst. Steinpackungen bewahrten die Dünen vor dem Abbruch und ein Deich schützte den landwirtschaftlich genutzten Bereich vor dem Wasser der Nordsee. Doch dann kam alles anders. Mehrere Sturmfluten durchbrachen die Deiche, die Dünen wurden weggespült. Die Bewohner Trischens wurden ans Festland gebracht und man erklärte die Insel für „verloren“.

Aus heutiger Sicht kann man es auch anders formulieren: „Trischen wurde vom Einfluss des Menschen befreit“. Denn nachdem die Bewirtschaftung der Insel aufgegeben wurde, entwickelte sich die Insel frei, nur den Gesetzten von Wind und Wasser folgend. Was entstand, war eine wilde und dynamische Insel. Ein Ort, an dem man beobachten kann, was passiert, wenn der Mensch keinerlei Einfluss übt.

 Diese Dynamik kann ich in diesen Tagen quasi live miterleben

Unterhalb der Dünenkette hatten sich im Laufe des Sommers kleinere Primärdünen gebildet. Salzmiere und Meersenf hatten den angewehten Sand festgehalten. Diese Strukturen wurden immer größer und größer. Und so hatte die Insel Anfang September mächtig Sand angesammelt.

Am 23. September kam dann allerdings Sturmtief „Tim“ mit Sturmböen von bis zu 105 km/h hier vorbeigefegt. Das Hochwasser stieg 1,10 Meter über den Normalen Wasserstand. Große Wellen rollten auf den Strand. Am kommenden Tag habe ich dann den Strand inspiziert. Viele der Primärdünen waren gänzlich verschwunden. Von Salzmiere und Meersenf ragten nur noch die abgerissenen Wurzeln aus dem Sand. Die Dünen zeigten teilweise scharfe Kanten, wo das Wasser den Strandhafer und den Sand weggerissen hatte.

Die folgenden Bilder habe ich jeweils von exakt der gleichen Position aus gemacht. Sie zeigen deutlich die Veränderungen nach dem Sturm:

 

 

Nur eine starke Flut, und alles was sich über den Sommer gebildet hat ist verändert.

Aber schon am gleichen Tag fing der Prozess wieder von vorne an. Hinter jeder Muschel und jedem Stück Treibholz hatten sich winzige Sandhäufchen im Windschatten gebildet – der erste Schritt zur Entstehung einer Düne.

 

Ob Trischen zukünftig weiter schrumpft oder wächst entscheidet also allein das Meer und der Wind. Und wir selber dürfen staunend zuschauen.

 

Flaschenpost

Liebe LeserInnen,

am Trischener Strand kann man immer wieder Flaschenpost finden. Die Flaschenpost ist nach wie vor oder gerade in der heutigen Zeit, in der wir alle immer und überall verbunden und innerhalb weniger Sekunden erreichbar sind, eine sehr spannende Sache. Der Weg der Flasche wird ebenso dem Zufall überlassen wie der mögliche Empfänger. Ob, wann und unter welchen Umständen sie gefunden wird, ist niemals zu bestimmen – eine durch und durch unbekannte Reise.

Bisher habe ich auf Trischen ganz verschiedene Flaschen gefunden. Da gibt es zum Beispiel folgende Kategorie: personalisierte Flaschenposte werden für eine Hochzeit bestellt. In die Oberfläche der Flaschen wurden die Namen des Brautpaares und das Datum eingraviert. Innen befindet sich ein vorgedruckter Zettel, auf dem von den Gästen Fragen ausgefüllt wurden: „Was denkst du werden x und y genau heute in 10 Jahren machen?“. Diese fand ich nicht so sonderlich spannend.

Dann gibt es jede Menge Flaschenposte von Ferienkindern, die in Cuxhaven, Büsum oder Friedrichskoog mit den Eltern oder Großeltern Badeurlaub machen. Das ist immer sehr nett, da die Kinder Bilder malen und viel über sich in den Briefen erzählen. Manchmal sind die die Flaschen mit etwas Sand und Muscheln dekoriert.

Und dann habe ich Flaschenposte gefunden die mich sehr berührt haben. Darin fand ich Abschiedsbriefe an verstorbene Menschen. Lange, sehr persönliche Briefe welche dem Meer und einem unbekannten Finder anvertraut wurden. Mir schien es immer, als hat das davonschwimmen der Flasche den Hinterbliebenen irgendwie geholfen.

Aber was macht man mit solchen Briefen?

Behalten? – Irgendwie komisch. Wegwerfen? – Unmöglich.

Also habe ich die Briefe wieder dorthin gegeben, wo sie ihre Reise begonnen haben. Vielleicht werden die Worte ihren Weg zu den Personen finden, um die es in den Briefen ging.

Worte auf ihrem Weg zurück ins Meer

 

Und vor einigen Tagen habe ich dann noch eine ganz neue Art von Flaschenpost gefunden:

Die Bildhauerin und Zeichnerin Claudia Krentz hat die „Flaschenpost-Ausstellung Irreale Zeiten“ ins Leben gerufen, sodass ich plötzlich Eigentümerin eines kleinen Kunstwerkes und Teil einer spannenden und ungewöhnlichen Ausstellung geworden bin. Daher zeige ich an dieser Stelle sehr gerne Claudias Zeichnung, sodass ihre Ausstellung lebendig wird:

 

Irreale Zeiten

 

 

Neue Art, neuer Wart

Liebe LeserInnen,

neulich wurde für Trischen eine neue Vogelart registriert: Anas ligneus, die hölzerne Ente. Ihre Herkunft ist weitestgehend unbekannt. Ebenso sind ihre Verbreitung und Brutbiologie noch Gegenstand der Wissenschaft. Für Trischen stellt Anas ligneus einen Erstnachweis dar.

Unauffällig rastet diese Art im oberen Bereich des Strandes. Durch das fein gezeichnete Deckgefieder ist sie in dem, mit Treibholz versetzten, Spülsaum gut getarnt. Die rötlich bis blau-grünen Felder im Flügel scheinen bei der Art kennzeichnend zu sein. Das Auge ist glänzend rötlich. Die Abnutzungserscheinungen im Halsbereich deuten darauf hin, dass es sich um ein adultes Tier handelt.

Anas ligneus ist ein stummer Vogel, welcher weder Gesang noch Rufe äußert. Auch wegen dieser Tatsache, wird diese Art wahrscheinlich häufig übersehen.

Deutschlandweit gibt es nur wenige Nachweise aus Siedlungsbereichen.

Das auf Trischen entdeckte Exemplar zeigt sich jedenfalls erstaunlich zutraulich. Nur wenige Minuten nach ihrer Entdeckung ließ sie sich bereits streicheln und auf den Arm nehmen. Seitdem begleitet mich Anas ligneus bei meinen Tätigkeiten, und ist ein sehr zutrauliches und pflegeleichtes Tier. Einwandfrei stubenrein lebt es nun entweder auf der Terrasse oder im Inneren der Hütte.

Neuer Wart

Am Samstag hatte ich Besuch, der im Gegensatz zur hölzernen Ente ganz lebendig war. Till, der neue Vogelwart hat mich für einen Tag besucht, um sich seine neue Arbeitsstätte anzuschauen. Das ist hier Tradition das die neuen Warte einmal nach Trischen kommen, um die Insel schon einmal ein bisschen kennenzulernen. Wertvolle Erfahrungen der VorgängerInnen können an dem Tag auch schon vor Ort weitergegeben werden.

Wir hatten jedenfalls einen ganz wunderbaren Tag, Till freut sich auf das kommende Jahr und ich freue mich über meinen sympathischen Nachfolger. Mehr wird heute nicht verraten – er wird sich dann ja bald hier im Blog selbst vorstellen!

Till und ich mit Axel an seiner „Luise“

 

stimmungsvoller Herbst

Liebe LeserInnen,

auf Trischen ist es herbstlich geworden. Die Gräser der oberen Salzwiesen färben sich gelblich, Strandsode und Queller werden rot, da sie über den Sommer immer mehr Salz in ihren Blättern eingelagert haben und die späten Strandastern zeigen ihre violetten Blüten.

Auch in der Vogelwelt bemerkt man den Wechsel der Jahreszeiten deutlich – der Herbstzug hat begonnen. Die Vögel, welche hier bei uns oder noch viel weiter im Norden ihre Küken großgezogen haben, ziehen nun in ihre südlichen Winterquartiere, wo sie von den dort lebenden Menschen schon erwartet werden. Dort freut man sich bestimmt genauso über die ersten Schwalben die „nach Hause“ kommen, wie wir uns im April über ihre Ankunft bei uns freuen.

Vögel die an der Hütte Rast machen:

Hier auf Trischen habe ich am 18. September die letzten Schwalben gesehen. In diesen Tagen kommen dafür viele Wiesenpieper und Schafstelzen durchgeflogen. Plötzlich tauchen auf den Wasserflächen kleinere Gruppen von Spieß- und Pfeifenten auf, Bläß- Ringel- und Weißwangengänse ziehen über die Insel hinweg.

In den ersten Morgenstunden wird der Vogelzug systematisch erfasst. Ich schaue und lausche also gespannt Richtung Norden. Größere Arten kann ich gut mit den Augen bestimmen. Bei den kleinen Arten benötige ich zusätzlich meine Ohren. Die verschiedenen Zugrufe der Kleinvögel zu unterscheiden ist für mich eine gewaltige Herausforderung. Damit ich möglichst nichts verpasse lasse ich ein Aufnahmegerät mitlaufen, welches an einen Parabolspiegel angeschlossen ist. So kann ich hinterher die Zugrufe am Computer noch einmal anhören und mir die Sonagramme ansehen. Lange Zeit war es für mich ein Mysterium wie Menschen Vogelrufe zuordnen können. Für mich klang das immer alles gleich. Aber so langsam verändert sich das und ich bemerke die Unterschiede. Als Eindruck kommen hier drei Tonmitschnitte aus dem September:

Wiesenpieper mit einem kurzen lauten Ruf eines Steinwälzers (ziemlich am Anfang der Aufnahme)
Graugänse im Hintergrund mit langgezogenem Ruf von Goldregenpfeifer
Mornellregenpfeifer mit Wiesenpiepern in Hintergrund

 

 

Wettersonde

Liebe LeserInnen,

das Wetter ist, neben der Tide, für die Arbeit auf Trischen essenziell. Möchte ich zum Beispiel eine Vogelzählung machen achte ich darauf, dass es möglichst nicht regnet und im besten Fall relativ windstill ist. Die Wettervorhersage schaue ich meistens online nach, manchmal höre ich auch den Wetterbericht über den Seefunk. Vor ein paar Tagen kam das Wetter auf ganz andere Weise zu mir auf die Insel. Eine E-Mail erreichte mich, in der ich erfuhr das eine Wettersonde des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf Trischen gelandet wäre. Angegeben waren die genauen Koordinaten wo die Sonde lag, sodass ich diese einfach wieder einsammeln konnte.

Sonde, mit Ballonresten und Schnur

 

Die Nachricht kam von Hein Kipar aus Uetersen, der einer kleinen Gruppe von überwiegend Funkamateuren angehört und eben diese Wettersonden des DWD verfolgt und einsammelt. Ihn habe ich angerufen:

Hein, die Sonde lag tatsächlich nur wenige Meter von dem Punkt entfernt, den du mir geschrieben hast. Wie hast du das gemacht?

Das ist ein bisschen Erfahrung und Vorausberechnung von dem letzten GPS-Punkt, den wir von der Sonde empfangen haben. Wir werten die Geokoordinaten aus und kommen auf etwa 100 Meter genau ran. Das errechnet man dann aus der Flugrichtung, der Windgeschwindigkeit und der Fallgeschwindigkeit der Sonde.

Also gibt es eine richtige Zusammenarbeit zwischen den Funkamateuren und dem DWD?

Nein. Wir empfangen die Sonden mit Hilfe selbst gebauter Empfänger, dekodieren die Signale, welche die Sonden aussenden. Dann verfolgen wir den Weg der Sonden vom Start bis zur Landung und machen uns auf den Weg, um sie wieder einzusammeln. Täglich gehen bis zu 40 Wetterballons in Deutschland in die Luft, welche ja irgendwo auch wieder landen. Alle paar Sekunden sendet die Sonde ein Datenpaket los. Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Windrichtung, Windgeschwindigkeit und eben die Koordinaten. Gerade im letzten Jahr, wo pandemiebedingt nur wenige Flugzeuge unterwegs waren (welche auch Wetterdaten liefern) wurden vermehrt Sonden gestartet.

Und wie groß ist der Ballon, der da dranhängt?

Beim Start hat der Ballon ungefähr einen Meter Durchmesser. Er ist mit Helium gefüllt und steigt bis auf ca. 30.000 Meter (also 30 km) Höhe. Dort oben hat der Ballon dann eine Größe von einem kleinen Einfamilienhaus. So weit hat er sich dort oben in der dünnen Luft aufgebläht. Dann platzt der Ballon. Innen drin ist ein Fallschirm der aufgeht, und das ganze flattert wieder nach unten.

Die Flugbahn der Sonde. In der Nähe von Tönning ist der Ballon geplatzt.

 

Und werden viele der Sonden auch tatsächlich wiedergefunden?

Ganz viele Sonden landen im Wasser. Je nach Windrichtung in der Nord- oder Ostsee. Es starten viele Sonden von Norderney – die landen oftmals in der Nordsee. Und die von Schleswig in der Ostsee, da wir ja meistens Westwind haben. Aber wo es geht, da sammeln wir sie ein. Heute Morgen sind wir unterwegs gewesen, da hing die Sonde aber leider 20 Meter hoch im Baum. Da lässt sich dann nichts machen.

Das ist je echt schade, dass diese Wetterballons Einwegprodukte sind, die überall in der Natur verbleiben. Gerade diese Struktur mit dem langen Seil, dem Ballon und Fallschirm können für Tiere ja auch durchaus zum Verhängnis werden.

Genau deswegen machen wir das ja. Gestern war ich erst im Raum Itzehoe und habe da eine Sonde auf einer Kuhweide eingesammelt. Am Nachmittag war ich dann nochmal unterwegs. Da kam ich dann aber zu spät, da war schon jemand vor mir dort gewesen.

Dann ist das also auch ein bisschen eine Jagd nach den Sonden?

Ja ja – wir nennen uns scherzhaft auch „Sonden-Jäger“. Da ist auch ein bisschen Wettbewerb dabei.

Sind auf Trischen schon öfter Sonden gelandet?

Soweit ich das in der Statistik zurückschauen kann, das sind in etwa drei Jahre, ist dort noch keine gelandet.

Vielen Dank, Hein Kipar, für das spannende Gespräch. Ich finde es absolut großartig, wie hier Menschen Ihre Leidenschaft aus dem Funkwesen mit der „Jagd“ nach Sonden verbinden und dabei auch noch Müll einsammeln – so schön kann Naturschutz sein 😊