Mai 2021 Beiträge

Der Eine geht, der Andere kommt

Liebe LeserInnen,

vor ein paar Tagen habe ich gleich zwei spannende Tiere zusammen beobachtet, die auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben.

der Vogel

Es ging damit los das ich einen toten Eissturmvogel am Strand gefunden habe. Eissturmvögel sind faszinierend, da sie als echte Hochseevögel die meiste Zeit ihres Lebens auf dem Wasser verbringen. Außerhalb der Brutzeit schlafen sie sogar auf dem Wasser. In Deutschland brüten Eissturmvögel nur auf Helgoland und streifen außerhalb der Brutzeit im Nordatlantik umher. Der Eissturmvogel gehört zu den sogenannten Röhrennasen. Die auf dem Schnabel aufsitzenden Röhren dienen dazu, dass aufgenommene Salz aus dem getrunkenen Meereswasser wieder auszuscheiden.

Ihre Nahrung sammeln Eissturmvögel von der Meeresoberfläche auf. Oftmals halten sie dabei Plastikstücke für Futter und verschlucken diese. Seit vielen Jahren wird daher der Mageninhalt von Eissturmvögeln analysiert. Also habe ich den toten Vogel für eine Analyse in eine Tüte gesteckt und mit zur Hütte genommen. Nach einem kurzen Telefonat habe ich aber erfahren, dass wegen der Vogelgrippe zurzeit leider keine Eissturmvögel angenommen werden können. Also bringe ich den Vogel wieder an den Strand. Und in dem Moment als er aus der Tüte rutscht, entdeckte ich das andere spannende Tier.

der Käfer

Ein Totengräber (Nicrophorus vespillo) hatte sich über den Eissturmvogel hergemacht. Ich habe ihn kurzerhand zwischen zwei Muschelschalen gefangen genommen, um ihn zu fotografieren. Ein wunderschöner großer Käfer, der sich von Aas ernährt. Bei kleineren Kadavern, z.B. Mäusen, macht der Totengräber seinem Namen alle Ehre. Er vergräbt diese im Boden, um dadurch seinen Nachkommen eine geeignete Brutstätte zu bereiten. Der vergrabene Kadaver bietet nämlich genügend Nahrung und Schutz. Eine weitere Besonderheit ist die vom Weibchen durchgeführte Brutpflege, was bei Käfern ungewöhnlich ist. Sie füttert die frisch geschlüpften Larven, bis sie sich allein ernähren können.

Mein gefundener Totengräber wird den viel zu großen Eissturmvogel nicht vergraben haben. Aber er wird sich an ihm satt fressen und damit eine sehr wichtige ökologische Funktion erfüllen, nämlich den Kreislauf des Lebens wieder zu schließen und dafür zu sorgen das der tote Eissturmvogel eben auch wieder zersetzt wird.

Also habe ich den Käfer nach dem Foto wieder an den Strand gebracht und beim Eissturmvogel befreit. Und da ist er auch gleich aus der Muschelschale geklettert und im Vogel verschwunden.

Ich wünsche guten Appetit!

 

 

Vogelzug extrem

Liebe LeserInnen,

bisher ist der Vogelzug auf Trischen durch das nasskalte Frühjahr recht spärlich ausgefallen. Viel Wind, Regen und kalte Temperaturen machen eben auch den Zugvögeln keine Freude. Am Montag war dann seit längerem mal wieder ein richtig schöner Tag. Glatte See, eine leichte Brise und Sonnenschein ließen mich auf verstärkte Zugaktivität hoffen, zumal ich optimale Sicht hatte.

Kurz nach Sonnenaufgang, um 5:30 Uhr, ging es dann auch gleich richtig los: Weißwangengänse zogen.

Im Minutentakt kamen lange Ketten von Gänsen über Trischen geflogen. Kaum hatte ich einen Schwarm erfasst und notiert, tauchte schon der nächste am Horizont auf. Es war wie ein nicht enden wollender Strom von durchziehenden Gänsen, die Luft erfüllt von ihren lauten Rufen.

Die Größe der Schwärme variierte dabei von 60 – 3.000 Vögel.

Erst vier Stunden später wurde es langsam weniger, sodass ich um 10 Uhr meine Beobachtungen beendete. Zu dem Zeitpunkt hatte mein Magen schon längst lauthals nach Nahrung und Kaffee verlangt und es war wirklich Zeit für ein Frühstück!

Nachmittags kamen dann noch einmal weitere Gänse durch. Und am Ende des Tages hatte ich über 46.000 Weißwangengänse über Trischen gezählt!

Das Phänomen Vogelzug ist für mich am schönsten, wenn ich die Gelegenheit habe aktiv abziehende Vögel zu beobachten. Ich sehe diese Gänse und weiß, dass sie sich genau in diesem Moment auf den langen Weg in ihre sibirischen Brutgebiete machen.

Am Dienstag und Mittwoch kamen dann noch einmal insgesamt 24.000 Gänse durch, sodass ich in nur drei Tagen über 70.000 Gänse gezählt habe – ich wünsche ihnen eine sichere und gute Reise.

 

rastende Limikolen mit abziehenden Gänsen

 

Die schöne Branta

Liebe LeserInnen,

manche Vogelarten finden wir spannend, schön oder einfach faszinierend. Vielleicht weil sie niedlich, farbenfroh oder selten sind. Andere Arten finden wir dagegen langweilig oder manche sogar eher unsympathisch. Diese sind vielleicht überall zu sehen, weniger farbenfroh oder tun Dinge, die wir nicht gut finden, zum Beispiel andere kleinere und niedlichere Vögel fressen.

Ich bin ehrlich: Eine von diesen Arten war für mich immer die Ringelgans. Sie ist zwar nur zeitweise im Wattenmeer anzutreffen, aber dann immer in großer Anzahl. Sie ist grau-schwarz und tut im Grunde einfach nur das was Gänse eben tun. Fressen, umherfliegen und wieder fressen. Also nicht sehr aufregend. Na, jedenfalls habe ich ihnen nie viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Aber das hat sich auf Trischen verändert. Da sie momentan täglich direkt aus dem Hüttenfenster zu beobachten sind, habe ich mir sie noch einmal ganz genau angeschaut. Die Ringelgänse sind im Gegensatz zu anderen Gänsen sehr zierliche Vögel. Der schwarze Kopf und Hals mit dem schicken weißen Ring sieht einfach super aus. Zudem sind sie sehr gesellige Vögel und agieren unglaublich viel miteinander. Man merkt richtig, wie sie sich untereinander mit ihren Gesten und Rufen verständigen. Hier eine kleine Hörprobe:

Die bei uns vorkommende Ringelgans, Branta bernicla, ist eine von drei Unterarten. Sie brütet in Nordsibirien und überwintert an der europäischen Atlantik- und Nordseeküste. Im Frühjahr fliegen sie von dort aus zu uns ins Wattenmeer. Ende April bis Anfang Mai versammelt sich hier dann fast die gesamte Weltpopulation (!) der Branta bernicla, bevor sie weiter gen Norden ziehen.

Momentan halten sich auf Trischen etwa 1.000 Ringelgänse auf. Nur noch wenige Tage, und die Gänse werden Trischen verlassen, um sich auf den Weg Richtung Norden zu machen. Bis dahin werde ich sie noch öfter durchzählen, um die maximale Anzahl zu erfassen.

Ich freue mich hier die Gelegenheit zu haben mir die Ringelgänse in Ruhe ansehen zu können. Und das ist jetzt schon einer meiner Vorsätze für das Festland: „mir Zeit zu nehmen ganz genau hinzuschauen“. Denn die vermeintlich langweiligen und häufigen Vogelarten sind oft schöner und interessanter als man denkt. Aber in jedem Fall sind sie es alle wert immer wieder bestaunt zu werden.

 

 

Alle Jahre wieder

Liebe LeserInnen,

wir alle kennen diese Tage oder Wochenenden, an denen wir immer das Gleiche vorhaben. Alle Jahre wieder, feiern wir unsere kleineren und größeren Traditionen an festgelegten Tagen. Mit der Familie oder mit Freunden gehen wir wandern, feiern, machen Musik oder treffen uns zu einem gemütlichen Abendessen. Am ersten Wochenende im Mai kommen jedes Jahr deutschlandweit Menschen zu so einer Tradition zusammen. Sie wollen an einem Tag so viele Vogelarten wie möglich entdecken: das Birdrace.

Auch freue mich jedes Jahr auf diesen Tag, an dem ich mit Freunden von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf dem Fahrrad durch Nordfriesland fahre. Der Tag beginnt damit, bei geöffnetem Küchenfenster nach draußen zu lauschen während auf dem Herd der Kaffee brodelt. Und meistens endet er damit, in der späten Dämmerung, nach einem gemeinsamen Essen und Bierchen unglaublich müde aber glücklich nach Hause zu radeln und ins Bett zu fallen.

In diesem Jahr läuft Alles etwas anders ab. Zum einen durften wir nur zwischen 5 und 22 Uhr racen, damit die Menschen mit Ausgangssperren keine Nachteile erfahren und man kann sich zu virtuellen Teams zusammenfinden um auch in Coronazeiten in Teams ungebremst den Vögeln „nachjagen“ zu können. 2582 Menschen waren gestern in 943 Teams dabei.

 

Und was war das für ein genialer Tag!

Nach den schweren Sturmtagen und kalten Wintertemperaturen der letzten Woche, war gestern der erste windstille Morgen mit milden Temperaturen und Sonne. Nur am Abend kam der Regen. Und los ging es dann auch mit gutem Kleinvogelzug und ein paar tollen Überraschungen. Insgesamt habe ich 52 Vogelarten gesehen, wovon 17 Singvögel waren. Morgens sang ein Fitis vom Hüttengeländer und das Sommergoldhähnchen kam so nahe, dass es fast auf meinem Schoß gelandet wäre.

Steinschmätzer, Ring- und Singdrossel, Garten- und Dorngrasmücke, Rotkehlchen und Zaunkönig hielten sich rund um die Hütte auf. Nachmittags ein weiteres Highlight: Ein Kranich flog über die Südspitze der Insel, drehte dann nach Westen ab und kam schön nahe der Hütte vorbei, verfolgt von Brandgänsen die den Kranich offensichtlich unheimlich fanden. Später dann doch noch ein Paar Spießenten und am Abend gleich drei Seeadler auf einmal. Die Gesamtartenliste finden Sie hier.

 

Ein Tag voller Überraschungen – das ist für mich Birdrace. Und manche Arten von denen man ganz genau weiß das sie vor Ort sind, sieht man dann den ganzen Tag nicht. Gestern war das für mich der Knutt. Zigmal habe ich die Wattflächen abgesucht, aber kein Knutt weit und breit. Und wer fliegt heute Morgen an der Hütte vorbei?

Sie können es sich denken.

 

 

Und nun?

Liebe LeserInnen,

ich denke jeder der in der Natur Tiere beobachtet hat kennt das. Man entdeckt etwas, ein Tier, kann es aber noch nicht genau sehen. Es hüpft im Gebüsch oder raschelt im Unterholz. Dann! Eine „Sekundenbeobachtung“ und das Objekt der Begierde ist weggeflogen oder abgetaucht oder einfach auf mysteriöse Weise plötzlich verschwunden. Eigentlich habe ich schon eine Idee was es für eine Tierart war, bin mir aber eben nicht so ganz sicher. Und nun? Was stelle ich mit so einer Beobachtung an?

ornitho

In der Vogelbeobachtung werden die Sichtungen gerne im zentralen Online-Forum „ornitho.de“ gemeldet. „Ornitho“ ist seit dem Jahr 2011 online und jeder kann sich anmelden, um die eigenen Vogelsichtungen dort einzutragen. Auch die auf Trischen aufgenommen Vogelsichtungen trage ich in Ornitho ein. Am Ende der Saison kann ich dann meine Daten dort abrufen und zusammenfassen. Aber auch andere Interessierte können meine Beobachtungen dort ansehen.

Aber was geschieht mit solchen Sekundenbeobachtungen? Und macht es denn Sinn das Rotkehlchen in meinem Garten immer wieder auf ornitho zu melden? Und ist das Forum was für mich, oder doch eher für professionelle Beobachter?

Diese und andere Fragen habe ich an Martin Kühn gestellt. Martin ist für die Kreise Nordfriesland und Dithmarschen Regionalkoordinator bei ornitho. Wenn ich auf Trischen Beobachtungen mache, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, dann rufe ich ihn an. Heute aber habe ich ihn angerufen, um mit ihm über ornitho und „Sekundenbeobachtungen“ zu sprechen:

Und dann kamen die Beiden doch noch einmal zurück und ich konnte sie wunderbar beobachten…