Wer hat das Sagen…in der EU-Agrarpolitik?

Kräftemessen in Brüssel

Am Freitag lud EU-Agrarkommissar Phil Hogan nach Brüssel ein: Er wollte die Ergebnisse seiner Bürgerbefragung zur künftigen Agrarpolitik vorstellen und diskutieren. Sehr viele wollten seiner Einladung folgen. So viele, dass nur 400 von über 1000 Anmeldungen akzeptiert wurden, und die Hälfte der Teilnehmer in einem Nebensaal untergebracht werden musste. Die Konferenz wurde in 22 Sprachen übersetzt (man entschuldigte sich, dass dies für Gälisch und Kroatisch leider nicht möglich war). Doch hat sich der Aufwand gelohnt? Und was kam am Ende heraus?

Zunächst kann man der Konferenz zugutehalten, dass sie Agrarlobbyisten wie Funktionären der EU-Kommission klar gezeigt hat: die Zeiten ändern sich. Vereinbarungen darüber, wer künftig die Milliardensubventionen aus Brüssel bekommt, können diese nicht mehr unter sich ausmachen.

Dies wurde zum einen durch den ersten Vortrag deutlich, in dem die Ergebnisse der EU-weiten Bürgerbefragung vorgestellt wurden (zeitgleich wurde ein ausführlicher Bericht sowie eine Kurzfassung online gestellt – jeweils Download im pdf-Format). Bereits Kommissar Hogan hatte sich in seinem Grußwort mit der hohen Teilnehmerzahl geschmückt, diese sei ein Beweis für das große Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Agrarpolitik. In der Tat, mit etwa 320.000 Teilnehmern war die Befragung die zweitgrößte in der Geschichte der EU. Im Vortrag wurde dann auch klar dargestellt, dass dies auf die LivingLand-Kampagne der Umweltverbände zurückzuführen ist, die alleine 260.000 Teilnehmer mobilisiert hatte. Die Forderungen nach einer fairen, umweltverträglichen und global verantwortungsvollen Landnutzungs- und Ernährungspolitik bekamen daher einen prominenten Platz. Gleichzeitig wurde deutlich, dass andere Kampagnen, wie zum Beispiel die des Deutschen Bauernverbands weit weniger erfolgreich waren.

Interessantes Ergebnis außerdem: auch unter Abzug der LivingLand-Stimmen rangiert die Sorge um die Umwelt ganz vorne bei den Teilnehmern, selbst bei vielen Landwirten. Ansonsten gehen die Antworten jedoch zwischen „Bürgern“ und „Landwirten“ oft auseinander. Es bleibt also das Problem, dass die Meinungsführer unter den Agrarverbänden immer noch Erfolg in den eigenen Reihen damit haben, die LivingLand-Vision als eine darzustellen, die sich gegen die Bäuerinnen und Bauern richtet. Nichts wäre weiter entfernt von der Wahrheit – zumindest für einen Großteil der Betriebe wäre ein alternatives Fördersystem sicher besser als der Status Quo. Verlieren würden jedoch einige einflussreiche Akteure, die derzeit die meisten Gelder bekommen und oft für die größte Umweltbelastung verantwortlich sind. Und die sind eben leider oft die lautstärksten Vertreter ihrer Verbände.

Nach der interessanten Präsentation der Konsultationsergebnisse wich das Niveau der Veranstaltung leider stark von dem Dialogforum ab, das ursprünglich von der Kommission großmütig angekündigt worden war. Eine Reihe von Wissenschaftlern wurde gebeten, die Ergebnisse von Workshops vorzutragen – und die meisten von Ihnen verloren sich in Details und Forderungen man bräuchte noch Forschung. Sicher nicht falsch – aber für eine politische Konferenz zu diesem Zeitpunkt eher unpassend.

Anschließend bestand die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Meinungen zu äußern – sogar eine Online-Möglichkeit wurde dafür eingerichtet. Leider wurde kaum eine einzige Frage jemals beantwortet. Schließlich erfuhren wir, dass dies von den Organisatoren auch gar nicht geplant gewesen sei, man wolle weiterhin „zuhören“, was die Akteure zu sagen haben. Dies klang auf einmal so, als würde die Konsultation so noch einmal verlängert, die eigentlich am 2.Mai beendet worden war. Vielleicht weil die Ergebnisse nicht ganz so wie erwartet ausgefallen waren? Der EU-Agrarkommissar konnte jedenfalls aus terminlichen Gründen nicht an der Abschließenden Fragerunde teilnehmen…

Klar wurde bei dieser Reihe von Meinungsäußerungen: die Umweltverbände erhielten kaum das Wort, und waren im Saal auch klar unterrepräsentiert. Agrarverbände und Industrie konnten wesentlich mehr Vertreter auf den zuvor für sie reservierten Plätzen unterbringen – und diese wurden auch fleißig vom Moderator aufgerufen. Es wurde also klar: hier wehte noch etwas der Wind der früheren Zeiten, als sich die Generaldirektion Landwirtschaft und die Agrar-Lobbyisten unter sich trafen. Wir Umweltverbände haben aber im Saal, wie auch über die Online-Beteiligung sehr deutlich gemacht, dass diese Zeiten vorbei sind.

Für die kommenden Schritte der Agrardebatte bedeutet dies: Es kommt darauf an, bei jeder Etappe klar zu machen, was das Motto der Verbände bei dieser Konferenz war: Wir brauchen eine GAP für alle (We need a CAP4ALL).

 

Informationen und Dokumente zur Konferenz finden Sie hier

1 Kommentar

Peter Roos

14.07.2017, 17:23

Geld geht über Natur

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