Für Klima und Naturschutz: Stoppt Nord Stream 2!

Für Klima und Naturschutz: Stoppt Nord Stream 2!

Das Genehmigungsverfahren für die Gaspipeline Nord Stream 2 steht derzeit vermutlich kurz vor dem Abschluss. Wird die Genehmigung erteilt, kann sofort mit dem Bau begonnen werden. Gazprom will auf rund 1200 Kilometern jährlich 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas mitten durch die Ostsee transportieren.  Es scheint eine so einfache, saubere Lösung zu sein: Gas strömt durch Rohre von der Lagerstätte bis in unsere Häuser. Hier heizt das Gas CO2-arm und damit klimafreundlich. Wäre es so einfach, wäre Erdgas womöglich Teil der Lösung beim Klimaschutz, wäre es die erhoffte Brückentechnologie hinein in das Zeitalter jenseits fossiler Energieträger. Tatsächlich jedoch ist Erdgas ein Teil des Problems. Denn Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan. Methan aber ist ein sehr potentes Treibhausgas: in den ersten 20 Jahren ist es etwa 87 Mal klimaschädlicher als CO2. Deshalb reichen kleinste Leckagen, um dessen positive Klimabilanz zu Nichte zu machen. Erdgas ist dann nicht besser als Kohle oder Öl. Die Gasepipeline Nord Stream 2 ist eine klimapolitische Sackgasse und muss verhindert werden.

Erdgas ist keine Lösung

Das heißt: Auch mit Erdgas erreichen wir das Pariser Klimaziel nicht, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wir müssen stattdessen insgesamt weg von fossilen Energieträgern und zwar in allen Bereichen. Sonst ist die „Balance aus anthropogenen Emissionen und Senken“, wie sie im Pariser Klimaschutzabkommen festgehalten ist, nicht zu erreichen. Der weitere Ausbau der Gasinfrastruktur, sei es mit Nord Stream 2 oder auch mit Fracking-Projekten, durchkreuzt die Klimaziele. Nord Stream 2 wird mit einer Betriebsdauer von 50 Jahren geplant. Sollte tatsächlich solange die gesamte Kapazität ausgelastet sein, können wir schon heute die Klimaziele von Paris beerdigen.

Der Verzicht auf Nord Stream 2 bedeutet dabei noch lange keinen Ausstieg aus dem Energieträger Gas. Der Verzicht wäre vielmehr ein Zeichen, dass die Energiewende tatsächlich angepackt wird. Denn jede neue Investition in Gasinfrastruktur blockiert durch gebundene Finanzmittel auch die Transformation des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energieträgern. Auch ohne Nord Stream 2 ist die Gasversorgung in Deutschland gesichert, denn die Import- und Speicherkapazitäten betragen das Dreifache des Bedarfs sodass auch die schon bestehende Pipeline Nord Stream längst nicht ausgelastet ist.

Massive Umweltschäden werden in Kauf genommen

Umso dramatischer ist es, dass trotz des offensichtlich fehlenden Bedarfs beim Bau der geplanten Nord Stream 2 massive Umweltschäden an der Ostsee hingenommen werden sollen. Im deutschen Zuständigkeitsbereich verläuft die Pipeline flächendeckend auf einer Strecke von über 80 Kilometern durch Schutzgebiete des Natura 2000-Netzwerks. Insgesamt sind fünf Schutzgebiete betroffen. Für Meeresenten und Ostseehering werden beispielsweise schädliche Effekte erwartet. Das Bundesamt für Naturschutz und das Thünen Institut haben deshalb eine Anpassung der Bauzeiten gefordert – bisher erfolglos. Im deutschen Küstenmeer wird die Pipeline in einem Graben verlegt und die Ostsee kilometerweit aufgebaggert. Lebensräume am Meeresboden werden dabei zerstört. Inwiefern sich diese schnell wieder regenerieren können, wie von Nord Stream 2 behauptet, bleibt unklar. Denn die Daten dazu sind nicht öffentlich und liegen laut schriftlicher Auskunft nicht einmal der Genehmigungsbehörde Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vor. Nur eins von mehreren Versäumnissen im Genehmigungsverfahren, die der NABU scharf kritisiert.

Nicht zuletzt ist die Pipeline auch EU-politisch umstritten. So will etwa die EU-Kommission bei der Entscheidung über Nord Stream 2 mitreden, denn sie sieht Konflikte mit der gemeinsamen EU-Energiepolitik.

Anne Böhnke-Henrichs

4 Kommentare

Martin Müller

20.01.2018, 09:08

Sehr geehrte Frau Böhnke-Henrichs, wie wahrscheinlich sind Leckagen in der Pipeline im Vergleich zum Fracking-Gas verschiffungsprozess? Ich habe die Diskussion um die Pipeline aufmerksam verfolgt und Fakt ist, dass viele Haushalte und Industrien Gasverbrauchen. Eine Umstellung ist hier kurzfristig nicht möglich. Fakt ist weiterhin, dass die Nord Stream 1 Pipeline ausgelastet ist. Fakt ist auch, dass die europäischen Gasvorkommen stark rückläufig sind. Daher wird Europa übergangsweise Gas importieren müssen. Die Alternative zu Nord Stream 2 ist amerikanisches Flüssiggas. Ich befürchte, dass die Umwelt durch einen Verzicht auf Nord Stream 2 und verstärkten Import von Flüssiggas wesentlich größeren Schaden nimmt. Ist es nicht Aufgabe der Nabu die beiden Technologien zu Vergleichen und eine Empfehlung für die Übergangszeit auszusprechen?

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Sebastian Scholz

22.01.2018, 11:20

Sehr geehrter Herr Müller,
bisher immer noch kaum beachtet sind Erdgas-Leckagen im Pipeline-Netz. Auf dem Weg zum Verbraucher gehen durch Leckagen geschätzte 2,5% des Erdgases verloren [1,2]. Unabhängig davon wie hoch die Leckagerate bei anderen Technologien ist, muss festgehalten werden, dass wenn 2,5% des Methans auf dem Weg zur Verbrennung unverbrannt in die Atmosphäre gelangt, es ein gewaltiges Problem für den Klimawandel darstellt. Mittelfristig kann daher Erdgas und Methan keine Alternative sein, wenn wir das völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziel von Paris erreichen wollen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Weiterhin ist die Auslastung der NSP1 unserer Kenntnis nach auch 6 Jahre nach Inbetriebnahme erst bei rund 80%. Alleine via NSP1 können also noch weitere rund 10 Mrd. m³ Erdgas nach Deutschland transportiert werden. Es ist also nicht Fakt, dass diese Pipeline ausgelastet ist. Richtig ist, dass die Förderung europäischer Erdgasvorkommen rückläufig ist. Allerdings ist auch der Erdgasverbrauch innerhalb der EU im langjährigen Trend rückläufig und ist gemäß Projektionen systematisch überschätzt [3]. Wenn die EU ihr Effizienzziel bis 2030 erreichen will, werden die künftigen Gasverbräuche auch weiter sinken. Gleichzeitig ist die Gas-Infrastruktur EU-weit heutzutage gerade mal zu rund 60% (ohne LNG!) ausgelastet [3]. Wenn wir diese Zahlen sehen, halten wir einen so wesentlichen Eingriff in die Natur wie die Verlegung einer Pipeline-Trasse für ungerechtfertigt. Und zwar ganz unabhängig davon, welche Auswirkungen andere Technologien haben. Denn für die Übergangszeit zu einem wirklich emissionsarmen Energiesystem, im wesentlichen basierend auf erneuerbaren Energien, ist die fossile Infrastruktur bereits heute überdimensioniert.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Scholz
[1]: www.pnas.org
[2]: https://www.economist.com
[3]: http://www.energyunionchoices.eu

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Martin Müller

23.01.2018, 07:23

Sehr geehrter Herr Scholz, vielen Dank für Ihre Antwort. Bei einigen Punkten habe ich allerdings Anmerkungen. Die Auslastung der Pipeline NS1 war 2017 bei 93% Prozent. Warum mitteln Sie über die letzten 6 Jahre? Wen interessieren die letzen 6 Jahre wenn die Gasfelder in Europa doch erst jetzt versiegen? Bezüglich der Überdimensionierung kann ich Ihnen auch nicht folgen, denn im Grunde geht es bei NS2 um einen Ersatz für das Transitland Ukraine. Das Pipelinesystem in der Ukraine ist marode und bedarf einer Erneuerung. Leider besteht bei der Ukraine die Gefahr, dass diese die Transitgebühren im Jahr 2019 massiv steigern werden (werden neu verhandelt), was ebenfalls zu einem Anstieg von Fracking LNG führen dürfte (plötzlich konkurrenzfähig zu natürlichem Gas). Herr Scholz, da die alternativ Technologie zum natürlichen Gas, Fracking LNG ist, sollte sich die NABU schon damit auseinandersetzen. Sie sind doch auch nicht gegen Kohlekraftwerke wenn stattdessen Atomkraftwerke gebaut werden würden oder? Ich würde mich über eine Kampagne freuen, wenn schon fossiles Gas dann bitte Natürliches! Die Augen vor den Umweltzerstörungen der Fracking-Gas Gewinnung zu verschließen und nur auf die NS2 zu schauen sind für mich einfach nur schrecklich. Die Natur verliert mehr von Ihrer Schönheit wenn auf NS2 verzichtet wird. Ich hoffe, ich kann viele Umweltschützer bezgl. der Gefahr durch Fracking LNG wachrütteln. Mit freundlichen Grüßen, Martin Müller

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Sebastian Scholz

23.01.2018, 16:45

Sehr geehrter Herr Müller, bitte erlauben Sie mir noch einmal Stellung zu beziehen. Meine Zahlen zur Auslastung NSP 1 bezogen sich auf das Jahr 2016 und waren nicht gemittelt. Mir war entgangen, dass NSP vergangene Woche neue Zahlen zur Auslastung im Jahr 2017 veröffentlicht hat. In den Planungsunterlagen wird argumentiert, dass ein zusätzlicher Bedarf an Pipelines besteht. Dem folgen wir nicht (und Sie anscheinend auch nicht, sie gehen ja davon aus dass vorhandene Kapazitäten ersetzt werden sollen). Der Bau einer Pipeline stellt immer einen starken Eingriff in Natur und Umwelt dar. Im Falle Nord Stream 2 werden auch noch verschiedene Schutzgebiete des Natura 2000-Netzwerke durchquert, das halten wir für inakzeptabel, insbesondere wenn der Bedarf aus unserer Sicht eindeutig nicht vorhanden ist. Deshalb stellt sich für uns auch gar nicht die Frage, ob wir das eine (NSP2) oder das andere (Fracking) wollen nicht. Wir wollen beides nicht und wir brauchen auch beides nicht (Zahlen dazu finden Sie in den oben genannten Quellen). Und wir können es uns nicht leisten Investitionen ins Energiesystem zu stecken, die nicht zukunftsfähig sind. Fossile Energieträger haben durch das völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzabkommen von Paris eine ziemlich kurze Halbwertszeit. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Scholz

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