Hände weg von den EU-Naturschutzrichtlinien! Eindeutiges Votum auf Veranstaltung in der Deutschen Vertretung

 

Auf Einladung des Bundesumweltministeriums fand am 22. Oktober in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel eine Veranstaltung zum „Fitness Check“ der EU-Naturschutzrichtlinien statt. Unter dem Titel “Halting biodiversity loss by 2020: Opportunities and challenges of the Fitness Check of the Nature Directives” befassten sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ihre luxemburgische Amtskollegin Carole Dieschbourg mit der Frage, wie die Biodiversitätsziele der EU bis zum Jahr 2020 erreicht werden können, und welche Rolle die von den Mitgliedstaaten beschlossenen Richtlinien (Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) dabei spielen.BMUB_FC_22.10.15_-Paulus

Das Urteil der beiden Ministerinnen war sehr klar, ebenso die Meinung der Teilnehmer einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern des EU-Parlamentes, der Industrie, der Naturschutzverbände und der EU-Kommission. Bundesministerin Hendricks sprach sich ohne Wenn und Aber für eine Beibehaltung und bessere Umsetzung der Richtlinien BMUB_FC_22.10.15_2_Klußmannaus. Bundesregierung und Bundesländer träten zudem nicht nur für eine bessere Umsetzung der Richtlinien ein. „Vielmehr lehnen die Bundesländer, ebenso wie Landwirtschaftsminister Schmidt und ich, jegliche Änderungen an den EU-Naturschutzrichtlinien ab!“, so Hendricks. Bereits im Juli hatten Hendricks und Bundesagrarminister Christian Schmidt in einem gemeinsamen Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella eine Öffnung der Richtlinien abgelehnt und auf deren zentrale Bedeutung zur Erreichung der EU-Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt bis 2020 hingewiesen, die die Staats- und Regierungschefs im März 2010 beschlossen hatten.

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Hendricks wies in ihrer Rede unter anderem auf den Wert der auf Basis der Richtlinien ausgewiesenen Natura-2000-Gebiete für die biologische Vielfalt, für das Klima, und nicht zuletzt als Lebensgrundlage des Menschen hin. „Dieses Netzwerk erbringt jährlich Ökosystemleistungen in einer Größenordnung von 200 bis 300 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der jährlich rund sechs Milliarden Euro, die dem an Kosten gegenüberstehen“. Nicht zuletzt würde eine Öffnung der Richtlinien die für die Wirtschaft so wichtige Planungs- und Rechtssicherheit gefährden. Auch Hendricks luxemburgische Kollegin und derzeitige Ratspräsidentin des Umweltrates, die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg, schloss sich diesem Votum an. Sie wies darauf hin, dass insbesondere die Landwirtschaft mehr zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen müsse. Ein vor wenigen Wochen von der EU-Kommission veröffentlichter Bericht habe gezeigt, dass die in der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2020 festgelegten Ziele für die Land- und Forstwirtschaft noch lange nicht erreicht seien. Vor allem müsse mehr Geld aus den Subventionen für die sogenannte 1. Säule der Agrarpolitik (Direktförderung) in eine umweltschonende Landnutzung fließen. Dieschbourg kündigte für den letzten Umweltministerrat unter luxemburgischer Ratspräsidentschaft im Dezember ein deutliches Signal an die EU-Kommission an, nicht die Richtlinien infrage zu stellen, sondern Vorschläge zur besseren Umsetzung und Finanzierung zu machen!

Fotos: BMUB, Dr. Christiane Paulus (1), Melanie Klußmann (2)

3 Kommentare

Ute

01.11.2015, 18:18

Über mehr als 3 Jahrzente schon wird viel über Naturschutz und Erhaltung der der Biodiversität gesprochen. Diesen Worten folgen allerdings nicht die entsprechenden Handlungen. Wirtschftliche "Sachzwänge", Unterbesetzung in Überwachungsbehörden und der allgemeine Sparkurs in Umwelt, Sozialem und Kultur tragen auf keinen Fall dazu bei. Was werden wir unseren Enkeln sagen, die unberührte Natur dann vielleicht noch in Reportagen aus alten Archiven sehen können? In den Geschäften gibt es zig-tausend Dinge die eigentlich niemand braucht... Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Wo bleibt da vielzitierte Umdenken?

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Günter

28.01.2016, 10:24

Vor nicht allzu langer Zeit wurde mir seitens eines Vertreters eines Bundesministeriums gesagt, dass man sich Umwelt-/Naturschutz nur dann 'leisten' (=bezahlen) könne, wenn es der Wirtschaft 'gut' gehe. Dieses Denken hat sich im Grundsatz bis heute nicht geändert: gut ist, was der 'Wirtschaft' nützt .Dies sind in der Tat keine 'Sachzwänge', sondern das logische Ergebnis der mehrheitlich gewollten Wirtschaftsordnung, die auf Wachstum/Wohlstand u.a. durch kurzfristige Kostenminimierung (Human-/Naturressouren sollen so billig wie möglich sein) setzt. Da kaum jemand etwas hergeben will (Verzicht üben !) und jeder seinen Job/Einkommen /Wohlstand behalten und möglichst noch mehr dazu haben will, wird es kein Umdenken geben. Beispiele dafür gibt es tagtäglich (siehe Stuttgart: kaum einer hat seinen Pkw stehen lassen, trotz 'dickster' Luft).

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Claus Mayr

29.01.2016, 09:37

Lieber Günter, Sie haben natürlich völlig Recht, dieses Denken ist noch allzu verbreitet. Dennoch gibt es - auch im Rückblick der Entwicklung des Umwelt- und Naturschutzes der vergangenen Jahrzehnte - Fortschritte! Angefangen bei den Internationalen Konventionen zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt in den 1970er Jahren über die EU-Naturschutzrichtlinien, die diese Konventionen in verbindliches Recht der EU-Mitgliedstaaten umgesetzt haben, bis hin zum 7. Umweltaktionsprogramm der EU 2014, und nicht zuletzt den von der UN-Staatengemeinschaft im September 2015 beschlossenen "Sustainable Development Goals" (SDGs) und den Klimabeschlüssen im Dezember 2015 in Paris. Allerdings, von den politische Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs bis hin zur praktischen Umsetzung ist es ein weiter Weg und braucht einen langen Atem, wie auch die Geschichte des NABU seit 1899 zeigt. Und ja, Rückfälle in das von Ihnen geschilderte kurzsichtige Denken gibt es immer wieder. Das aktuelle REFIT-Programm der EU-Kommission, dem schon etliche wichtige Umweltgesetze zum Opfer gefallen sind, ist ein Beispiel. Und nicht zuletzt die aktuelle Diskussion um die EU-Naturschutzrichtlinien, um deren Erhaltung der NABU und unser Dachverband BirdLife Europe gerade in Brüssel und Straßburg kämpfen. Daher freuen wir uns weiter über Ihre Unterstützung! Claus Mayr, NABU-Direktor Europapolitik

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