Nature, People and the Economy

Über den Aktionsplan als Follow-Up zum Fitness Check der EU-Naturschutzrichtlinien

Nature Alert Erfolg - Fred Fuchs

Fred Fuchs: „NatureAlert-Erfolg“

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob die EU-Kommission ihre eigenen Schlussfolgerungen und das REFIT-Programm bzw. ihre „Better-Regulation-Agenda“ insgesamt ernst nimmt. Derzeit erarbeitet sie nämlich einen sogenannten Aktionsplan als Follow-Up zum Fitness Check der EU-Naturschutzrichtlinien. Wir erinnern uns: mehr als zwei Jahre währte das Bemühen von Naturschützern, engagierten Bürgerinnen und Behördenvertretern, um gegen das Aufweichen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie anzukämpfen. Als das Kollegium der EU-Kommissare am 7. Dezember 2016 entschied, die beiden Richtlinien nicht aufmachen zu wollen, konnten endlich die Sektkorken knallen. Dass die EU-Naturschutzrichtlinien „fit for purpose“ sind, bestätigt das Arbeitsdokument vom 16. Dezember 2016, welches offiziell einen Schlusspunkt unter den Fitness Check setzt.

EU-Kommission: Staff Working Dokument: Overall Conclusions (Hervorhebungen Raphael Weyland)

In dessen abschließender Zusammenfassung heißt es unmissverständlich, dass die Richtlinien weiterhin äußerst bedeutsam für die EU-Naturschutzziele sind, dass deren Wirksamkeit aber v.a. durch unzureichende Finanzierung eingeschränkt wurde und dass es erforderlich ist, die Richtlinienziele besser in die Gemeinsame Agrarpolitik der EU zu integrieren.

 

Der Blick nach vorne

Die Verbändekoalition NatureAlert war sich von Anfang an bewusst, dass es nicht nur darum gehen kann, das europäische Regelwerk auf dem Papier zu retten. Der eine Nebeneffekt des aufwendigen Fitness Checks ist sicherlich, dass zumindest für das nächste Jahrzehnt behauptet werden kann, die offizielle Billigung für das Grundgerüst des europäischen Arten- und Habitatschutzrechts zu haben. Darüber hinaus steht nun im Fokus von Naturschützern vor allem, die erkannten Mängel zu beseitigen. Hierzu zählt, wie auch schon die von der EU-Kommission beauftragte Expertenstudie herausarbeitete:

 

  • Die Mitgliedstaaten müssen endlich das Schutzgebietsnetz Natura 2000 vollenden und mit konkreten Managementmaßnahmen beginnen, basierend auf wirkungsvollen Managementplänen;
  • Die nicht nur marginalen Finanzierungslücken müssen auf allen Ebenen durch neue Finanzmittel geschlossen werden; und
  • Andere EU-Politiken wie die Gemeinsame Landwirtschafts-, die Forst- oder die Fischereipolitik müssen geändert werden, damit sie auch die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie unterstützen.

EU-Kommission: Vella, Timmermans, Katainen

 

In der Folge der Kollegiums-Entscheidung hat Kommissionspräsident Juncker ein Projektteam ins Leben gerufen; unter der Mitarbeit unter anderem der Vizepräsidenten Timmermans und Katainen sowie von Umweltkommissar Vella soll ein Aktionsplan erarbeitet werden, um erkannte Mängel zu adressieren. Erste Planungen wurden Anfang Februar in Brüssel vorgestellt; inzwischen hat die Kommission eine  „Roadmap“ veröffentlicht, die den Zeitplan umreißt. Nach den letzten Verzögerung soll es nun schnell gehen: der Aktionsplan soll noch im zweiten Quartal 2017 fertiggestellt werden – nach NABU-Informationen bis Ende April. Er trägt den verheißungsvollen Titel „An Action Plan for Nature, People and the Economy“, und soll dementsprechend den Naturschutz mit den Interessen der BürgerInnen und der Wirtschaft vereinen.

 

Verbändeforderungen für den Aktionsplan

BirdLife Europe: Better Implementation

Gemeinsam mit den anderen deutschen NatureAlert-Partnern hat sich der NABU im Februar mit Forderungen an die EU-Kommission gewandt. Angelehnt an das Format anderer Aktionspläne hat auch der Dachverband BirdLifegenauso wie andere Interessengruppen, zum Beispiel Industrie- oder Jagdverbände – der EU-Kommission konkrete Aktionen vorgeschlagen. Als essentiell sehen es die Brüsseler Experten dabei an, die Bereiche Umsetzung, Vollzug, Finanzierung und Kohärenz anzugehen:

  • Bessere Umsetzung kann hiernach vor allem durch aktualisierte und neu erstellte Kommissionsleitfäden (Guidance-Dokumente) zum Thema Artenschutz und der FFH-Verträglichkeitsprüfung erreicht werden. Diese Leitfäden müssen konkret genug sein, um etwaige Praxisprobleme auf Mitgliedstaatsebene zu lenken, und dabei auch aktuelle EuGH-Rechtsprechung aufgreifen.
  • Vollzug erfordert nach Auffassung der Naturschützer, dass die Kommission auch Gebrauch von neuartigen Technologien wie Copernicus macht, um beispielsweise Grünlandumbruch zu erkennen. Daneben sollte sie schon länger diskutierte, aber in den letzten Jahren nicht weiterbetriebene Initiativen wie etwa eine Verordnung über Umweltinspektionen zum Abschluss bringen und den Umweltrechtsschutz der Aarhus Konvention selbst vollständig umsetzen sowie die Mitgliedstaaten zur Umsetzung drängen.
  • Um Finanzierungsmängel zu beseitigen, muss die EU-Kommission den Aktionsplan nutzen, um die Bedürfnisse aus Sicht des Naturschutzes zu analysieren und festzuschreiben. Gewisse Mindesterfordernisse etwa hinsichtlich des Finanzumfangs sind sodann in die jetzt laufende Diskussion um den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) einzuspeisen. Daneben bietet sich die schon länger diskutierte Idee eines Transeuropäischen Netzes an Grüner Infrastruktur (TEN-G) an, um mit neuen Finanzmitteln Lücken im Schutzgebietsnetz zu schließen. Außerdem muss der – an sich gut funktionierende, aber viel zu gering ausgestattete – EU-Fonds LIFE deutlich aufgestockt werden.
  • Was die bisher unzureichende Kohärenz betrifft, muss der Aktionsplan Maßnahmen formulieren, die eine Überprüfung der Gemeinsamen Agrarpoltik der EU (GAP) unterstützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Bedürfnisse aus Naturschutzsicht in die jetzt laufende Debatte über die Zukunft der GAP Eingang finden (können). Gleiches gilt im Übrigen für die Forst- und Fischereipolitik der EU. Danben bietet sich Raumplanung an, um besonders sensible Bereiche zu identifizieren und von störenden Einflüssen freizuhalten.

 

BirdLife Europe: #NatureAlert

Gespräche mit Vertretern der EU-Kommission deuten darauf hin, dass der Aktionsplan bisher gerade in den Bereichen, die über das eigentliche Umweltressort hinausgehen, noch ambitionierter sein könnte. Hier müssen die Umweltverbände also Überzeugungsarbeit leisten, damit tatsächlich alle Probleme adressiert werden. Nur dann ist dem Aktionsplan die volle Unterstützung sicher. Insgesamt möchten die Verbände das Momentum und die von der EU-Kommission gewählte Herangehensweise der Einbindung verschiedener Kommissare genutzt wissen, um die Biodiversitätspolitik endlich auch in andere Politikbereiche zu integrieren. Ob dies gelingt, zeigt sich in den nächsten Monaten. Der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll der Aktionsplan bei einer Veranstaltung im Juni 2017.

Raphael Weyland
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