Klimaschutz in der EU – der kleinste gemeinsame Nenner der Mitgliedsstaaten

Es ist gerade mal ein gutes halbes Jahr her, als in Paris das Klimaabkommen verhandelt wurde. Die EU, mit ihrem Energie- und Klimaschutz-Kommissar Miguel Arias Cañete, hat sich als ein Treiber des Klimaschutzes feiern lassen. Und tatsächlich haben die europäischen Diplomaten Geschick bewiesen bei der Aushandlung des Abkommens.

High Ambition Coalition auf dem Weg zum Plenarsaal.

EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete mit der High Ambition Coalition auf dem Weg zum Plenarsaal der Pariser Klimakonferenz. Bild: Sebastian Scholz

Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Auf Ebene der EU gibt es zwei Instrumente bzw. Regularien, die den Klimaschutz regeln:

  1. Der Emissionshandel (Emission Trading Scheme – ETS) für den Energiesektor und die energieintensive Industrie und
  2. Die Effort Sharing Decision bzw. Effort Sharing Regulation in der alle Sektoren, die nicht Teil des Emissionshandels sind geregelt sind (Non-ETS) und darüber hinaus auch die einzelnen Beiträge der Mitgliedsstaaten regelt.

Mit diesen beiden Instrumenten sollen die Klimaziele, die sich die EU im Herbst 2014 gegeben hat, erreicht werden. Konkret sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken. Durch den Emissionshandel sollen bis 2030 die Emissionen in den vom Emissionshandel abgedeckten Sektoren um 43%, in allen anderen Sektoren um 30% jeweils gegenüber 2005 gesenkt werden (man beachte das Basisjahr 2005, während die 2030 Ziele das Basisjahr 1990 hat).

Die Reform des Emissionshandels wurde bereits vergangenes Jahr verabschiedet, Ziel war es die viel zu hohe Anzahl der auf dem Markt verfügbaren Zertifikate zu verringern. Die Marktstabilitätsreserve wurde eingeführt und sie soll überschüssige Zertifikate aus dem Marktvorrübergehend stilllegen und erst wieder in den Markt zurückgeben wenn ein politisch gewünschter Zertifikatepreis erreicht ist. Ohne eine dauerhafte und kurzfristige Stilllegung von Zertifikaten und eine schnellere Verknappung der ausgegebenen Zertifikate ist allerdings auch mittelfristig nicht mit Knappheitspreisen am Zertifikate-Markt zu rechnen – Klimaschutzimpulse sind deshalb auch nicht vom Emissionshandel zu erwarten.

Am 20. Juli war es nun so weit, dass die Europäische Kommission im sogenannten Summer-Package den Vorschlag zum Klimaschutz außerhalb des Emissionshandels veröffentlicht hat. Der Plan sieht vor, dass die Klimaschutzbeiträge der Mitgliedsstaaten entsprechend der Wirtschaftskraft aufgeteilt wird.

Effort Sharing Decision: Emissionsminderungen in der EU bis 2030 in Non-ETS Sektoren (Darstellung NABU, Zahlen EU-Kommission)

Effort Sharing Decision: Emissionsminderungen in der EU bis 2030 in Non-ETS Sektoren (Darstellung NABU, Zahlen EU-Kommission)

Allerdings wird es den Mitgliedsstaaten überlassen, wie diese Minderungen zu erreichen sind und welche Anteile national die Sektoren Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude erbringen müssen. Da die nationalen Anteile der Sektoren an den Emissionen sehr unterschiedlich sind, lässt die EU flexible Mechanismen zu – und genau hier ist das Problem.

Mitgliedsstaaten können zum Beispiel Zertifikate aus dem Emissionshandel kaufen und für die anderen Sektoren anrechnen. Gerade bei dem derzeitigen Zertifikateüberschuss ist es deutlich günstiger Zertifikate zu kaufen und stillzulegen als notwendige Maßnahmen einzuleiten, die nachhaltig Emissionen mindern.

Außerdem können Mitgliedsstaaten flexibel Emissionsminderungen aus dem Landnutzungssektor (Land Use, Land-Use Change and Forrestry – LULUCF) für andere Sektoren anrechnen. Das ist deshalb problematisch, weil unnachhaltige Aufforstungsmaßnahmen (z.B. schnellwachsende Monokulturen) dazu herhalten können, die Emissionen im Verkehrs- oder Gebäudesektor nicht zu senken. Es ist auch strittig, ob Aufforstungsmaßnahmen tatsächlich langfristige Emissionsminderungen garantieren.

Es bleiben also Schlupflöcher beim Klimaschutz und es ist noch längst nicht sicher ob mit diesen Instrumenten auch tatsächlich die anvisierten Ziele erreichbar sind.

In Paris wurde gefeiert, dass es als völkerrechtlich verbindliches Ziel vereinbart wurde, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, besser noch auf 1,5°C zu begrenzen. Im Klartext bedeutet dieses Ziel die Dekarbonisierung aller Wirtschaftssektoren bis zum Jahr 2050. Wie schwach die EU-Ziele sind, ist einfach zu errechnen: in den 25 Jahren zwischen 2005 (das Basisjahr der aktuellen Regularien) und 2030 sollen in den Non-ETS-Sektoren 30% der Treibhausgase gemindert werden. In den folgenden 20 Jahren bis 2050 braucht es dann eine Minderung um weitere 70% – also mehr als doppelt so viel in weniger Zeit.

In der EU ist es also leider nicht anders als hierzulande: wenn es um konkrete Maßnahmen geht, den Klimaschutz anzugehen ducken sich alle weg, verschieben Maßnahmen in die Zukunft und lassen möglichst viele Schlupflöcher offen.

Links:

Das Pariser Klimaschutzabkommen: http://unfccc.int/files/essential_background/convention/application/pdf/english_paris_agreement.pdf

Die Vorschläge der Kommission in voller Länge: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-2499_en.htm

 

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