NABU-GAP-Ticker: Finnland benebelt EU-Agrarminister

19. November. Am vergangenen Montag fand der letzte Rat der EU-Agrarminister in der Amtszeit von Kommissar Phil Hogan statt. Seine Reform zur GAP post 2020 steckt unterdessen weiter in den verschiedenen Institutionen fest, weswegen er Ende Oktober gezwungen war, seinen Vorschlag für eine Übergangsverordnung zur veröffentlichen (siehe hier). Unter anderem die Agrarminister haben sich über die Details der künftigen Agrarförderung bisher nicht einigen können. Vor allem die Umweltelemente, die sgn. „Grüne Architektur“ werden seit über einem Jahr heftig diskutiert und akute Verwässerungsgefahr droht. Am Montag hat die finnische Ratspräsidentschaft nun einen neuen Vorschlag in die Diskussion eingebracht, um diesen anhaltenden Stillstand zu durchbrechen.

Aus zwei mach eins

Der Vorschlag sieht vor, dass die von der Kommission vorgeschlagene Zweckbindung für den Umwelt- und Naturschutz innerhalb der zweiten Säule abgeschafft wird. Als Ersatz soll stattdessen ein verbindlicher Anteil über das gesamte Budget der GAP eingeführt werden, welchen die Mitgliedstaaten verpflichtend für den Umwelt- und Naturschutz ausgeben müssen. Ihnen bleibt so freigestellt, ob Sie diese Verpflichtung vor allem über die erste Säule erfüllen möchten oder wie bisher über die ländliche Entwicklung oder ob sie eine Mischung aus Beidem bevorzugen.

Vorgeschlagen wird weiterhin eine Liste von Instrumenten aus dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag, die als Umweltschutzmaßnahme angesehen werden. Ausgaben innerhalb dieser könnten dann in diesem säulenübergreifenden Budget angerechnet werden. Neben den üblichen Verdächtigen wie Agrarumweltmaßnahmen (AUKM) und Eco-Schemes fallen in dem finnischen Vorschlag darunter auch die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete. Völlig unklar, aber höchst wichtig, ist die exakte Prozentzahl, die in beiden Säulen für den Umweltschutz zweckgebunden würde. Der Vorschlag der Ratspräsidentschaft sieht bei diesem Punkt jedoch lediglich vor, dass dieser erst nach der Entscheidung über das EU-Budget 2021-2027 festgelegt werden soll.

Der letzte Sargnagel für den Umweltschutz

Dieser Vorschlag ist aus Umweltsicht hochgefährlich. Zum einen ist die Anrechenbarkeit der Ausgleichszahlungen zu kritisieren, da es sich hierbei um kein Umweltinstrument handelt sondern diese eine Form der Einkommensunterstützung darstellen, mit zweifelhaften Nutzen für die Umwelt. Ein weiteres Risiko bestünde darin, dass die Mitgliedstaaten sich vor allem auf wenig ambitionierte Eco-Schemes stürzen könnten und weniger Geld in die dunkelgrünen AUKM stecken. Eine Gefahr die bei einer separaten Zweckbindung in beiden Säulen nicht bestehen würde. Auch das Argument, dass ohne den EU-Haushalt das Budget für den Umweltschutz innerhalb der GAP nicht festgelegt werden kann, darf als vorgeschoben angesehen werden. Tatsächlich ist die GAP einige der wenigen EU-Programme, die bisher noch nicht mal die erste Lesung durchlaufen haben, während die meisten anderen Vorhaben (wie die ebenso finanzstarke Regionalförderung) kurz vor dem Abschluss stehen (siehe hier). Die niederländische Agrarministern Carola Schouten fasste diesen Punkt am Montag sehr gut zusammen, in dem sie anmerkte, dass der Bedarf für mehr Umwelt- und Klimaschutz besteht, ganz unabhängig davon, wie hoch das Budget am Ende ausfällt.

Im Agrarrat fand das finnische Papier trotzdem grundsätzliche Unterstützung, wobei auch von den meisten Ministern Diskussionsbedarf angemeldet wurde. Gleichzeitig sah sich eine Reihe von etwa zehn Mitgliedstaaten u.a. Spanien, Luxemburg und Polen ermutigt, dieses Papier zum Anlass zu nehmen, die Umweltleistungen in der GAP noch weiter abzuschwächen. Sie brachten die Forderung ein, dass auch die Direktzahlungen auf dieses gemeinsame Umweltbudget anrechenbar sein sollten. Als Begründung wurden die Umweltstandards in der sgn. Konditionalität angeführt (jene Regeln, die Landwirte einhalten müssen, um überhaupt Direktzahlungen beziehen zu dürfen), aufgrund derer die Direktzahlungen auch als Umweltmaßnahme angesehen werden könnten. Ironischerweise fordert eine Mehrheit der Minister im Rat gleichzeitigt, jene Standards gegenüber dem Vorschlag der Kommission abzuschwächen.

Im Worst Case könnten einzelne Mitgliedstaaten sich zukünftig voll auf die Direktzahlungen in der 1. Säule konzentrieren und in der 2. Säule auf Investitionsbeihilfen und Ausgleichszahlungen, während Eco-Schemes und AUKM unter die Räder kommen. Der zu erwartende Unterbietungswettstreit, den Deutschland am Ende nur verlieren kann, wird durch diese Vorschläge in jedem Fall verschärft und das von der Kommission versprochene höhere Niveau an Umweltschutz wäre endgültig Geschichte.

Bundesregierung findet keine Worte

Der scheidende Agrarkommissar Phil Hogan fand dazu überraschend klare Worte und lehnte das Papier der Ratspräsidentschaft vehement ab. Eine Abschwächung von Umweltstandards im Austausch für „generische und unspezifische“ Ausgabenziele, sei klar abzulehnen Das BMEL unter Staatssekretär Aeikens hat zu dem katastrophalen finnischen Vorschlag leider keine eindeutige Stellung bezogen, sprach lediglich von interessanten Ideen. Wichtig wäre aber gerade jetzt, dass ein Mitgliedstaat wie Deutschland sich solch vergifteten Ideen entschieden entgegenstellt. Immerhin scheint man den Vorteil von EU-weiten Mindeststandards erkannt zu haben und Aeikens forderte zusammen mit Frankreich u.a. einen Mindestanteil nicht-produktiver Flächen innerhalb der Konditionalität für den Schutz der Biodiversität. Diese Forderungen müssen nun jedoch mit konkreten Zahlen unterfüttert werden, anders lässt sich die zunehmend falsche Richtung der Diskussion im Rat nicht mehr umkehren.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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