Konferenz zur Zukunft Europas

Die Europäische Union jetzt weiterentwickeln!

Jenseits der EU-Blase wurde es vermutlich kaum wahrgenommen, deutsche Medien berichteten wenig über den Europatag, und der vor allem virtuelle Charakter der Auftakt-Veranstaltung dürfte bei der herrschenden „Zoom-fatigue“ ebenfalls nicht für gesteigerte Zuschauer-Euphorie gesorgt haben. Ein wenig mehr Aufmerksamkeit soll dieser kurze Beitrag dem Thema verschaffen, denn die Europäische Union geht uns alle an: Am gestrigen Europatag, den 9. Mai, startete offiziell die Konferenz zur Zukunft Europas (gemeint ist vor allem die Zukunft der Europäischen Union).

 

Das „Setting“

Die Konferenz(-serie) soll insgesamt rund ein Jahr dauern und im ersten Halbjahr 2022 abgeschlossen werden. Nachdem es nun mehr als ein Jahrzehnt still war rund um die Fortentwicklung der EU und den Integrationsprozess insgesamt, soll diese Konferenz mögliche Reformprozesse vorbereiten. Hierauf hatten sich die EU-Institutionen schon vor einiger Zeit verständigt. Thematisch werden unter anderem auch die Bekämpfung des Klimawandels und Bewältigung der ökologischen Herausforderungen, aber auch Querschnittsthemen wie die Stärkung demokratischer Prozesse diskutiert werden.

 

Wie teilnehmen?

Alle Bürger*innen haben über eine Online-Plattform (hier) die Möglichkeit zur Beteiligung, außerdem sind verschiedene Bürgerforen in Planung, sowohl auf EU- als vor allem auch auf Ebene der Mitgliedstaaten. Ausgewählte Mitglieder sollen dann im Plenum bis Frühjahr 2022 auf Konsensbasis Vorschläge entwickeln, die dem politischen Exekutivausschuss der Konferenz übergeben werden. Das End-„Produkt“ wird vermutlich ein Bericht mit hoffentlich konkreten Empfehlungen sein. Unter anderem unser NABU-Dachverband EEB setzt sich außerdem mit eigens organisierten Parallelveranstaltungen dafür ein, dass die Stimme der Zivilgesellschaft nicht zu wenig Gehör findet bei der Konferenz (englischer Hintergrund-Bericht).

 

Forderungen

Klar ist, dass es hier nicht um EU-Bashing geht (und die EU beispielsweise mit Natura 2000 viele positive Entscheidungen hervorgebracht hat – siehe in diesem Zusammenhang auch unsere Analyse der letzten Europawahl im Naturschätze.Retten-Blog). Für den NABU als ein auf EU-Ebene tätiger Natur- und Umweltschutz-Akteur ist zum einen aber wichtig, dass grundlegende Forderungen diskutiert werden (können), die unter Umständen auch Vertragsänderungen notwendig machen. Auch wenn die EU teils – etwa beim Lobbyregister oder einzelnen Fragen der Gesetzgebungstransparenz, aber auch mit dem European Green Deal (Naturschätze.Retten-Blog) – tendenziell besser dasteht als einzelne ihrer Mitgliedstaaten und oftmals auch als Deutschland.

  • Verbesserungsmöglichkeiten sehe ich z.B. bezüglich der Transparenz von Trilogverhandlungen und insgesamt hinsichtlich des Agierens des Europäischen Rates.
  • Auch könnte im EU-Vertrag meiner Auffassung nach Klima- und Naturschutz stärker verankert, die Bedeutung von wirtschaftlichem Wachstum indes eingeschränkt werden. Zudem könnte bereits dort die Rolle der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU hinterfragt und angepasst werden.
  • Fragezeichen stehen darüber hinaus nach der letzten Europawahl beispielsweise bezüglich des Spitzenkandidaten-Systems im Raum. Fortschritte fehlen außerdem im Hinblick auf ein echtes Initiativrecht des Europäischen Parlaments. Ein analoges Mitspracherecht bzw. Gleichstellen des Parlaments fehlt auch bezügich der EU-Haushaltsverhandlungen (Mehrjähriger Finanzrahmen, MFR).
  • Daneben sollte über Relikte wie etwa den Euratom-Vertrag gesprochen werden. Dieser ist, anders als die anderen Gründungsverträge der Vorgängergemeinschaft(en) der Europäischen Union (Kohle- und Stahlunion) nie angepasst beziehungsweise aufgehoben worden, obgleich sich auch hier die Situation mit dem Atomausstieg Deutschlands beispielsweise und die Herausforderungen der Energiewende verändert haben.

Zum anderen ist elementar, dass die Diskussionen auch zu tatsächlichen Veränderungen führen. Die Herausforderungen im Klima- und Naturschutz sind gewaltig. Immer wieder zeigt sich, dass einzelne Verbesserungen nötig sind, z.B. wenn einzelne Mitgliedstaaten ambitionierte Politik blockieren. Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Europäische Union einsetzen und an der Konferenz beteiligen, wäre schwer zu vermitteln, dass ihr Engagement am Ende folgenlos bleibt. Ein weiteres „Weissbuch“ ohne Konsequenzen, wie es beispielsweise die Europäische Kommission unter Jean-Claude Juncker zur Zukunft Europas vorgelegt hatte, kann sich die EU nicht leisten.

Raphael Weyland
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3 Kommentare

Dipl-Ing. Stephan Schacht

14.05.2021, 08:53

Wenn der NABU tatsächlich das Klima unterstützen möchte, dann sollte der NABU den den weltweiten Aufbau der H2-Produktion aus Offshorewindkraft finaziell & politisch unterstützen! Mit einer weltweiten Anschubfinazierung der H2-Produktion aus Windkraft (u.a. in chile) kann Wasserstoff (H2) für 50ct/kg Klimaneutral produziert & nach Europa zur Substitution von fossilen Kraftstoffen/Energieträger preiswert eingesetzt werden. Ein H2-PKW kann mit 1kg H2 ca. 100km weit fahren, sodass die 100km ohne Steuern 0,50€uro kosten würden und damit günstiger wäre als herkömmlicher fossiler Kraftstoff [bei Dieselkraftstoff wären es (5 Liter/100km x 35ct/Liter Diesel (Weltmarktpreis)) ca. 1,75€uro auf 100km]!!!

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Sonja Kampczyk

16.05.2021, 10:38

Ich würde gerne mit daran arbeiten, das Thema griffig zu kommunizieren und nach vorne zu bringen. Informationen sind wichtig, aber es muss auch konkrete Mitmachen-Angebote für die Zivilgesellschaft geben. Gibt es für so etwas einen Arbeitskreis beim NABU?

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Raphael Weyland

17.05.2021, 10:16

Vielen Dank für Ihren Kommentar! Eine Arbeitsgruppe gibt es dazu von uns leider nicht. Eine direkte Beteiligung ist natürlich über die offizielle Konferenzplattform möglich. Wenn ich absehen kann, inwieweit die Verbände hierzu dezidiert Input vorbereiten, teile ich dies hier gerne wieder mit.

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