Superjahr 2020: Verhandlungen in Rom schleppend – die Zeit rennt!

Superjahr 2020: Verhandlungen in Rom schleppend – die Zeit rennt!

Letzten Samstag ging eine Woche voller Diskussionen zum Übereinkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD) zu Ende. Fazit: Das Treffen verlief schleppend und auch beim Engagement der teilnehmenden Länder, wirksame Maßnahmen zu ergreifen und vertraglich festzuhalten, ist noch deutlich Luft nach oben. Bei einem täglichen Schwund von 150 Arten weltweit können wir es uns nicht leisten, weiter Zeit zu verlieren!

Letzte Woche hatten wir bereits über den Start der Vorverhandlungen in Rom berichtet. Verhandlungen im eigentlichen Sinne fanden jedoch noch gar nicht statt, vielmehr wurden Kommentare der Vertragsstaaten zum Zero Draft zusammengetragen. Dieser wird in den nächsten Wochen vom CBD-Sekretariat grundlegend überarbeitet.

Was war gut?

Insgesamt positiv zu bewerten sind die Organisation des Treffens und die relevanten Themen, die zur Diskussion auf der Agenda standen. Der Ablauf war selbst für Außenstehende transparent und nachvollziehbar – so gab es beispielsweise bereits vor dem Treffen ein Media-Briefing. Außerdem gaben Webstreams gute Einblicke in die Diskussionen während der Sitzungen im Plenum. Auch die relevanten Dokumente, an denen gearbeitet wurde, waren schnell online verfügbar. Allerdings hatte man als Außenstehende*r keinen Zugang zu den Diskussionen in den „Kontaktgruppen“, in denen besonders brisante Themen wie Maßnahmen zur Reduktion der Treiber des Biodiversitätsverlusts diskutiert wurden. Dazu gehören beispielsweise die großen Themen Landnutzung/Landwirtschaft und Klimawandel. Allerdings waren im Nachhinein alle relevanten Diskussionspunkte und Textvorschläge online verfügbar.

Plenum der zweiten Open Ended Working Group in Rom. Bild: MTimpte/ibn

Was war problematisch?

Kritisch sehen wir, dass die Meinungen der Staaten zur aktuellen Version des Zero Drafts an vielen Stellen noch weit auseinandergehen und es bei vielen Diskussionspunkten somit keinen klaren Konsens gab. Ein Beispiel: einige Vertragsstaaten, darunter die EU, Indien und Äthiopien, begrüßten die Idee, das Übereinkommen mit anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu verzahnen. Dazu gehören beispielsweise die Sustainable Development Goals (SDGs) und das Klima-Abkommen von Paris. Andere Länder (z.B. China, Argentinien und Brasilien) wollten dagegen jegliche Doppelungen vermeiden und die CBD strikt auf ihr Mandat beschränken. Auch bei den Zielen gab es viele unterschiedliche Vorschläge, diese zu formulieren. Ähnlich verhielt es sich auch im Bereich der Maßnahmen.

Besonders aufgefallen ist während der Verhandlungen eines der artenreichsten Länder der Erde: Brasilien. Die Delegation brachte Themen in die Diskussion ein, die nicht auf der Agenda standen und fiel mit ihren aggressiven Beiträgen auf. Damit isolierten sie sich zunehmend. So stießen sie unter anderem eine Debatte über das Thema Baselines (Referenzzeitpunkt, an dem die Ziele gemessen werden) an. Ihr Vorschlag: Ein Referenzzeitpunkt vor allem menschlichen Einfluss. Möchte das Land sich damit die Lizenz zum weiteren Zerstören von Ökosystemen besorgen? Finanziell profitieren? Oder besteht die Strategie darin, auf Zeit spielen? Bis zur Vertragsstaatenkonferenz in Kunming sind es noch gute sieben Monate. Die Uhr tickt, es verschwinden weiterhin jeden Tag Arten von unserem Planeten und Ökosysteme werden zerstört. Man kann nur hoffen, dass Brasilien ein ambitioniertes Abkommen in Kunming mit seiner Abseitsposition nicht völlig blockiert.

Was ist jetzt nötig?

Wir sollten bei all der Kritik nicht vergessen: Es ist immer einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Deutschland und die EU sind aber keinesfalls in der Position, sich zurück zu lehnen. So hat die EU mit dem neuen „Green Deal“ und der damit einhergehenden EU-Biodiversitätsstrategie  angekündigt, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Diese war bisher nur ansatzweise zu erkennen. Ein transformativer Wandel ist nur möglich, wenn Biodiversität zukünftig in allen Politikbereichen mitgedacht wird. Für einen maßgeblichen Anteil der Treiber des weltweiten Verlusts der Biologischen Vielfalt ist die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit verantwortlich. Dazu gehört die Agrar- und Fischereipolitik mit ihren falschen Anreizen genauso wie die Handels- und Wirtschaftspolitik.

Außerdem muss Deutschland endlich seine Hausaufgaben machen und die europäischen Naturschutz-Richtlinien richtig umsetzen. Derzeit droht eine weitere Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die FFH-Richtlinie. Als Wirtschaftsmotor der EU spielt Deutschland zudem bei Finanzierungsfragen eine wichtige Rolle. Die Bereitstellung von Ressourcen aus den reichen Ländern wurde von vielen Entwicklungsländern auch bei diesem Treffen eingefordert. Hier muss Deutschland unbedingt einen Schritt in die richtige Richtung gehen.

Fazit

Noch ist nichts entschieden und viele Diskussionspunkte blieben ungelöst. Somit ist noch zwar nichts verloren, außer Zeit, die ins Land zieht. Es ist aber auch noch nichts gewonnen. Deutschland und die EU müssen sich verstärkt dafür einsetzen, dass 2020 wirklich ein Superjahr für die Artenvielfalt wird. Deutschland kommt dabei eine wichtige Rolle zu, da es ab dem 1. Juli den Vorsitz im Rat der EU inne haben und somit die Verhandlungen für die EU zur CBD führen wird.

2020 – Superjahr der Artenvielfalt: In diesem Blog berichtet der NABU über die Verhandlungen zu einem globalen Abkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD). Wir berichten und kommentieren, wie Deutschland, Europa und die Welt neue Biodiversitätsstrategien für das kommende Jahrzehnt aufstellen.

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