Katerstimmung nach dem Dieselgipfel

Katerstimmung nach dem Dieselgipfel

Das war es schon. Hat doch gar nicht weh getan. Oder können Sie sagen, bei welchem der Punkte, die der sogenannte „Dieselgipfel“ am Ende als Ergebnis präsentierte, die Automobilindustrie ernstlich für den entstandenen Schaden aufkommen muss? Doch wen verwundert es, angesichts der illustren Zusammenstellung der Partygäste: Neben den MinisterInnen für Verkehr, Wirtschaft und Umwelt stellten sich einige Ministerpräsidenten mit Automobilstandorten sowie die Chefs der Automobilindustrie ein.

Immerhin die IG Metall und die Vertreter der Städte und Kommunen waren noch geladen. Umwelt- oder Verbraucherschützer? Fehlanzeige! Doch wozu auch? Ging es den allermeisten TeilnehmerInnen doch in erster Linie darum, der Automobilindustrie nicht allzu sehr weh zu tun. Was zählen da die Interessen der Autokäufer oder der luftschadstoffgeplagten Stadtbewohner, deren Lungen tagtäglich die giftigen Dieselabgase filtern, weil ein paar Euro mehr für die richtige Hardware den Herstellern als zu viel des Guten erschien.

Jede Menge Gemauschel und ein wachsweicher „Kompromiss“

Kurzum: Es ging eben nicht darum, Lösungsstrategien zu entwickeln, wie die Fahrzeugflotte auf Deutschlands Straßen künftig die europäischen Abgasnormen auch im tatsächlichen Fahrbetrieb einhalten könnte oder – noch verwegener – wie die Luftqualität in unseren Städten endlich auf ein Niveau gebracht werden könnte, dass jedem Bürger und jeder Bürgerin das ohnehin längst verbriefte Recht auf saubere Luft und damit eine Steigerung der Lebensqualität zugesteht. Nein: Mit jeder Menge Gemauschel wurde schlussendlich ein wachsweicher „Kompromiss“ gefunden, der im Grunde nur kosmetische Maßnahmen enthält: Ein freiwilliges Software-Update, einen Fonds für nachhaltige Mobilität, Abwrackprämien der Hersteller.

Software-Updates, Abwrackprämien und ein Fonds für nachhaltige Mobilität – jeder Laie durchschaut die Placebo-Maßnahmen. – Foto: Helge May

Das Umweltbundesamt schätzt die Wirksamkeit der Maßnahmen selbst unter günstigsten Bedingungen entsprechend gering ein: Bis zu 6 Prozent Verbesserung der Stickoxidbelastung könnten erzielt werden. Dies würde entsprechend nicht ausreichen, um die Luftqualität an allen Messstationen auf das gesetzlich geforderte Mindestniveau zu heben. Fast 70 deutsche Städte würden entsprechend auch künftig weiterhin die Grenzwerte reißen. Sieht so das Ergebnis erfolgreicher Verhandlungsführung der deutschen Bundesregierung aus? Die Antwort ist wohl eine Frage des Standpunkts.

Wenn Verkehrsminister Dobrindt dieses Ergebnis nun „richtig und gut“ sowie „wirkungsvoll“ nennt, dann denkt er wohl in erster Linie an seine Funktion als Erfüllungsgehilfen der (bayerischen) Automobilindustrie. Denn wohl die wenigsten Menschen in diesem Land können erkennen, was an den beschlossenen Placebo-Maßnahmen richtig und gut sein soll. Dass die Hersteller sich nie zu einem Schuldeingeständnis haben bewegen lassen, enttäuschte Kunden und kranke Anwohner um Entschuldigung gebeten und ernsthaft den Versuch einer Wiedergutmachung des entstandenen Schadens angeboten haben, ist traurig genug. Dass die Industrie aber die Chuzpe hatte, das eigenen Versagen und den millionenfachen Betrug in ein erneutes Konjunkturprogramm (Stichwort: „Umweltprämie“ beim Kauf eines Neuwagens) zu verwandeln, spricht Bände für das vorherrschende Denkmuster dieses Wirtschaftszweigs.

Andere Länder wollen weg vom Verbrennungsmotor

Irriger Weise gehen diejenigen Regierungsmitglieder und PolitikerInnen, die nun ihre vermeintliche schützende Hand über die Autokonzerne halten davon aus, so die Zukunftsfähigkeit dieser zweifelsohne wichtigen Industrie sichern zu können. Doch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Nur durch das konsequente Umsteuern des Verkehrssektors hin zu emissionsarmen Fahrzeugen, lässt sich langfristig ihre Schlüsselstellung als Jobmotor in Deutschland und Europa garantieren. Immer mehr Länder wie Frankreich, England, Norwegen aber auch Indien, haben klare Ausstiegsszenarien für den Verbrennungsmotor entwickelt. Die Cashcow von heute ist damit der Ladenhüter von morgen – egal, ob Diesel– oder Benzinbetrieben. Jeder zusätzlich investierte Euro in den Verbrennungs- statt Elektro- oder Wasserstoffmotor wirft die Branche beim internationalen Rennen um neue Formen der Mobilität nach hinten.

Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung, um unser Verkehrs- und Energiesystem so umzubauen, dass Mobilitäts- wie Klimaschutzbedürfnisse gleichermaßen erreichbar sind. Ein ehrlicher Dialog über die Möglichkeiten und Limitierungen der Verkehrswende, auch und gerade im Bereich des Automobils, wäre ein erster, aber notwendiger Schritt. Dass hier selbstverständlich zu gleichen Teilen auch die VertreterInnen von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden mit an den Verhandlungstisch gehören ist eine Selbstverständlichkeit.

Doch klar ist auch, dass bestehende Gesetze, die in zähen Verhandlungen unter massivem Lobbydruck aus Deutschland in Brüssel geführt wurden, auch umgesetzt werden. Dazu gehört selbstverständlich, dass Fahrzeuge auch auf der Straße und nicht nur im Labor die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten. Daher müssen unabhängige Kontrollen durchgeführt werden, wie sie durchzuführen das Kraftfahrbundesamt offenkundig nicht in der Lage oder Willens war.

Mindestens genauso entscheidend wird aber auch die Frage sein, wie sich Deutschland bei den anstehenden Verhandlungen für schärfere CO2-Grenzwerte nach 2021 verhält. Neben einer Effizienzsteigerung sollten hier auch bereits die Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität gelegt werden. Eine zusätzliche Quote für Elektroautos wäre eine denkbare Lösung. Und letztlich müssen in der nächsten Legislatur auch noch einmal Aspekte wie die Besteuerung von Kraftstoffen, Kfz-Steuer, Pendlerpauschale angegangen werden, da diese fiskalischen Rahmenbedingungen einem zügigen Umbau unseres Verkehrssystems im Wege stehen. Die Umwelt- und Klimaverträglichkeit der neuen Antriebe steht und fällt dabei mit dem beschleunigten Voranschreiten einer naturverträglichen Energiewende.

Downloads:

Foto oben: Verkehrsabgase belasten Mensch und Natur – Foto: NABU/Bachmann

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1 Kommentar

Marcus Steiniger

01.09.2017, 14:13

Die E-Mobilität wird aus meiner Sicht derzeit absolut überbewertet: Die Rohstoffe für die Akkus werden im Kriegs- und Krisengebiet Kongo von Kindern ab 4 Jahren unter ethisch und ökologischen fragwürdigen Bedingungen gewonnen. Darüber hinaus ist die Produktion der Akkus so energieintensiv, dass eine konventionelle E-Klasse über 100.000 Kilometer fahren kann, bevor sich die Produktion des Akkua eines E-Autos energetisch amortisiert hat. Dazu kommt, dass der Strom hier nicht zu 100% regenerativ gewonnen wird, das E-Auto immer noch nicht klimaneutral, sondern mit 80-120 Gramm CO2-Emission (je nach Modell) unterwegs ist. So gesehen fürchte ich, dass ein zügiger Einstieg in die E-Mobilität das Klima zunächst sogar anheizen würde. Warum hacken gerade alle auf dem Verbrennungsmotor herum? Mit dem Kraftstoff CNG kann auch der Verbrenner klimaneutral. Ich fahre mit 3,8 kg abfallstämmigem CNG aus der regionalen Apfelsaftproduktion. Zurück bleibt ein Gärrest, der als natürlicher Dünger wieder zur Verfügung steht und aus meinem Auspuff kommen Wasser und ein wenig CO2 - genauso viel, wie beim natürlichen Verrottungsprozess der Apfelreste auch angefallen wären. Wir bleiben also im Kreislauf, der Atmosphäre wird kein weiteres CO2 zugeführt. CNG lässt sich aus allen organischen Abfällen erzeugen, also auch Fäkalien. Der "Poo-Bus" in Bristol ist der beste Beweis dafür. Partikel wie Feinstaub und NOx spielen beim CNG-Fahrzeug übrigens auch keine Rolle, so dass auch das Stadtklima nicht unter den Fahrzeugen leidet. Alles in allem ist CNG die schnellste und kostengünstigste Möglichkeit den Verkehr auf Klimaneutralität umzustellen. Wer sich dafür interessiert, findet weitere Informationen beim noch jungen CNG-Club, dessen Ziel umweltfreundliche Mobilität ist und der sich über neue Mitglieder freut.

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