20. Internationale Batnight 2016 – Fledermäuse im Westerwald

Die Batnight ist zwanzig geworden. Eine mittlerweile erwachsene Veranstaltung, so möchte man meinen. Denn so richtig erwachsen ist hier niemand. Aus den Augen eines Städters…

Zum 20. Mal jährt sich die Internationale Fledermausnacht. 1997 hat EUROBATS – das Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen – die erste offizielle European Batnight veranstaltet. Seitdem ist viel passiert. Selbst Nichtmitgliedsländer feiern die Flattermänner – und das über die ganze Welt verteilt. Man batnightet sozusagen schon in über 40 Sprachen! In Deutschland organisiert der NABU die jährliche Fledermausnacht, dieses Jahr mit sage und schreibe knapp 250 eingetragenen Veranstaltungen in ganz Deutschland. Fleißige Flederlieschen kann man da nur sagen!

Hauptveranstaltung im Westerwald

Die Hauptveranstaltung der diesjährigen Batnight fand im Westerwald statt. Fast 500 Besucher, jung wie alt, wollten sich das Spektakel im Outdoor-Zentrum Lahntal auch bei über 30 Grad nicht entgehen lassen. Unter Buche, Esche und Eiche wurden um 16 Uhr die Pforten geöffnet. Die Aufbauarbeiten begannen jedoch schon in den frühen Morgenstunden. Bei meinem Eintreffen wuselten bereits gefühlte 40 benamensschilderte NABUs (tatsächlich waren es mehr) wie fleißige Waldameisen auf dem gesamten Gelände herum, errichteten Stände und Leinwände, trugen schweres Gerät und sortierten allerhand mit Fledermaussilhouetten bedrucktes Siebengesache.

Batnight 2016

Ute Vogt erklärt Besuchern die Aufzucht von jungen Fledermäusen – Foto: NABU/B. Bindig

Von außen ein reichhaltiges Durcheinander, bei näherem Hinschauen wusste aber jede Helferhand genau, wohin die Reise gehen sollte. Und die ging weit und befuhr so ziemlich jeden großen Fledermausozean: Von Bastelei über Wissenschaft bis hin zum Bühnenprogramm und „Fledermausblut“ (mit und ohne Schuss), das Angebot kannte keine Grenzen. In einem Rundgang um den zentralen Veranstaltungsplatz mit Bühne, Infopoint, Küche und Ausstellung wurden die Besucherinnen und Besucher lehrpfadgerecht über Stock und Stein geführt, von Station zu Station.

Am Infopoint treffe ich Petra Gatz und Otto Schäfer, Organisatoren und Fledermausexperten des NABU Hessen. Trotz Hektik fällt den beiden ein Ausdruck von Freude anheim – nach Monaten der Vorbereitung kann es endlich losgehen. Von dort sind es nur ein paar Meter zum Standesamt des Outdoor-Zentrums, einem großen, dreieckigen Holziglu mit Glasdach. Alles Handarbeit und sehr gemütlich und ja, hier wird auch geheiratet, wenn auch nicht heute. Statt eines einzelnen Brautpaares laden heute gleich 25 „Schöne der Nacht“ in diesem Ambiente zum Wohlfühlen ein. Die Künstlerin Stefanie Gendera hatte eigens für die Fledermausarbeit des NABU alle 25 heimischen Fledermausarten in Kombination verschiedener Zeichentechniken dargestellt. Ein Blickfang und Ruhepol gleichermaßen. Und Kuchen soll es hier auch bald geben. „Friede, Freude, Fledermaus“, denke ich mir und mache mich auf zum Stationenmarathon.

Hämmern und Schminken: Kreativ mit Fledermäusen

Fledermauskastenbau bei der Batnight 2016

Gunter Volk, Vorstandsmitlied des NABU Hüttenberg, beim Fledermauskastenbau – Foto: NABU/B. Bindig

Gemeinsam mit der Betreuten Grundschule Ulmtal wurde gleich zu Anfang das Bastelutensilat geschwungen. Bunte Fledermauskreationen wohin man nur schaut. Beim Baumscheibendruck (2. Station) erklärt Stationsleiter Manfred Funk vom NABU Lahn-Dill, wie erfolgreiche Umweltpädagogik auszusehen hat. Sein Konzept ist das Zusammenführen von „Kopf und Hand“, wie er sagt. Das Erlebnis der eigenen Tat, so Manfred Funk, lässt den „Funken“ erst überspringen. Wortgewandt, nachvollziehbar und offenbar erfolgreich, angesichts der 500 bedruckten Baumscheiben.

Mir fällt das Gewusel aus bunten Gesichtern in kurzer Distanz auf. Bereits auf dem Hauptplatz sah man den einen oder anderen „Hobbit-Buntling“. Dafür sind vornehmlich Renate Lercher und ihre Kollegin Silke verantwortlich. Mit Theaterschminke und dem notwendigen Talent bewaffnet verwandeln sie die jungen (und alten) Fledermausfreunde in kleine Kunstwerke. Batman, Batgirl, Blumen, schaurige Halloweenmasken – ein ganzer Kinderblumenstrauß, wenn man so will.

Den Weg hinab hört man bereits das markante Handwerksorchester aus Hammer, Nagel und Akkuschrauber, die gemeinsam ihr Lied auf rohem Holz spielen. Gunter Volk, ein ausgemachtes Schlitzohr der Fledermauskastenbaukunst und seit 1974 im Vorstand des NABU Hüttenberg, hat sich das Ziel gesetzt, das Gros der Besucher mit selbstgefertigten Fledermauskästen auszustatten. Und die lassen sich auch nicht von den heißen Temperaturen abhalten und schwingen den Hammer, stets unter dem Argusauge des Herrn Volk. So wurden an einem Nachmittag satte 50 neue Heime für Fledermäuse gezimmert und am Nebenstand bemalt, wie ich später erfuhr.

Fledermäuse, wahre Alleskönner

Mehlwürmer bei der Batnight 2016

Mit Mehlwürmern konnten Fledermauspfleglinge gefüttert werden – Foto: NABU/B. Bindig

Nach einem Abstieg durch Buchenjungwuchs treffe ich sodann auf einen Hort der Wissenschaft. Das Basiscamp Fledermausmonitoring tut sich auf. Von Lichtschranke, über Netzfang und Batdetektor bis hin zur Sonargrammanalyse wird dem findigen Praktiker hier alles geboten, was auf dem Feld der Fledermausforschung gerade so up-to-date ist. Das Lager wurde direkt neben der Grube Emma aufgeschlagen. Diese, so Campbetreuer Axel Krannich, beherberge über 100 Mausohren und sei damit eines der wichtigsten Mausohrenquartiere in ganz Hessen. Der ehemalige Bergwerksstollen wird extra zur Batnight live überwacht, um ein mögliches Schwärmen miterleben zu können.

Abseits vom Camp, den Hügel wieder hinauf, treffe ich auf eine große Schale mit schwarzem Inhalt nebst heiteren NABU-Standbetreuerinnen. Die Lupenbecher lassen es erahnen – hier geht es wortwörtlich ans „Eingemachte“. Mithilfe der Lupenbecher können hier kleine Fledermausforscher am praktischsten aller Beispiele herausfinden, was Fledermäuse so fressen. In ihrer Losung, so die fachliche Bezeichnung, finden sich unverdaute Chitinreste (Insektenskelette) der Beutetiere und geben damit Aufschluss über die Speisekarte von Mausohr und Co. Immerhin: Der Fledermauskot ist ein hervorragender Biodünger! Echte Allrounder, diese Handflügler. Fliegendes Säugetier, Echoortung, Winterschlaf und Landwirt! Wenn die Tiere jetzt noch meine Steuererklärung…

Gehegt und gepflegt

Zu meiner großen Freude entdecke ich endlich echte Fledermäuse in Echtzeit. Da wir Menschen nachts leider nur relativ wenig von unserer Umwelt mitbekommen, sind Fledermäuse uns häufig so fremd wie Fußballclubpräsidenten die Steuer. Schön daher, dass es Menschen wie Ute Vogt gibt. Als leidenschaftliche Fledermauspflegerin zeigt sie dem staunenden Publikum, was es bedeutet, eine Fledermaus in Obhut zu nehmen (und wieder auszuwildern). Die Verantwortung dem Tier gegenüber ist dabei von größter Wichtigkeit.

Fledermäuse, so niedlich sie auch sein mögen, sind Wildtiere und sollten auch so behandelt werden. Dabei beschreibt „niedlich“ nicht einmal annähernd die vielen „Ooohs“, „Aaaahs“ und „Uuuhs“, die dem in der Possierlichkeit gefangenen Betrachter regelmäßig entfahren, wenn Fütterungszeit für Zweifarbfledermaus, Abendsegler und Konsorten ist. An dieser Stelle möchte ich einmal der tapferen, kleinen Mehlwürmer gedenken. Natur ist ja schließlich keine Einbahnstraße! Selbst den forschesten Fragen entgegnet Ute Vogt gelassen und mit bissigem Witz (Na, bissig! … Irgendjemand?).

Die letzte Station vorm Wiedereintritt in die Hauptplatzatmosphäre ist das Artenreferat um Thomas Steinke. Denn irgendwo müssen die Flugkünstler ja hin, wenn es kalt, nass und/oder Bettzeit ist. Am Naturbeispiel einer Fledermaushöhle in einem durchsägten Eichenstamm kann sich der Besucher ein Bild davon machen, wie Fledermäuse sich einrichten – nämlich gar nicht. Sie nutzen bestehende Höhlen und Spalten an Bäumen und Gebäuden. Nisten, das tun andere – Fledermäuse sind auf vorhandene Strukturen angewiesen. Deshalb sei es eben ein großes Problem, dass z. B. zu wenig stehendes Alt- und Totholz in unseren Wäldern zu finden ist, so der Grundtenor. Ersatzmöglichkeiten wie künstliche Quartiere seien daher sehr wichtig.

Auf der Bühne: Fledermausforscher der Zukunft

Kettensägenkünstler "Crazy George" erschuf für eindrucksvolle Fledermausskulpturen aus Holz

Kettensägenkünstler „Crazy George“ erschuf für eindrucksvolle Fledermausskulpturen aus Holz – Foto: NABU/B. Bindig

Es ist bald Sieben Uhr durch, auf der Bühne am Hauptplatz wird es heiter. Markus Dietz, Leiter des Instituts für Tierökologie und Naturbildung, begrüßt die zahlreichen Gäste. Bei der jungen Generation in den vorderen Reihen werden unruhig die Hände gerieben – die Gewinner der Fledermausrally müssten nach Zeitplan alsbald gekürt werden. Zum Glück ist Geduld ja eine Tugend, die Fledermausforscher bereits in die Wiege gelegt bekommen. Ein Appell zur Contenance ist daher mitnichten notwendig.

Zur offiziellen Begrüßung der Batnight-Hauptveranstaltung betritt Stefanie Stüber, Vorstandsmitglied des NABU Hessen, die Bühne. Sie berichtet über die Arbeit des NABU Landesverbandes und stellt Möglichkeiten zum Jedermann-Fledermausschutz vor. Karl Kugelschafter, Sprecher des NABU Bundesfachausschusses (BFA) Fledermausschutz, folgt ihr und erzählt von den Anfängen der Fledermausforschung: Seit den alten Tagen habe sich sehr viel getan, was eben auch diese Veranstaltung wiederspiegle. Eine gewisse Zufriedenheit und große Dankbarkeit liegt in der Luft.

Jetzt! Die Preisverleihung. Über zehn junge Fledermausforscher, die erfolgreich an der Rally teilgenommen haben, werden ausgezeichnet. Auf die Frage, was jeder für Fledermäuse tun kann und speziell der Rallykandidat zu tun gedenkt, tönt als Antwort: „Ich werde dafür sorgen, dass meine Mutter den Kirschbaum im Garten nicht fällt!“ Mit diesem hehren Ziel macht eine junge Aktivistin das Rennen – Quartiere erhalten und fördern, das ist es! Lehrauftrag erfolgreich, würde ich sagen – die Menge applaudiert.

Höhepunkt der Jubiläums-Batnight

Die Sonne geht unter, Dämmerung setzt ein. Jetzt macht sich die erste von zwei großen Exkursionsgruppen mit dem Fledermausdetektor auf den Weg, um den Schönen der Nacht zu lauschen. Auf der Bühne geht es mit unterhaltsamen und spannenden Vorträgen weiter.  Die Nacht beginnt und die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt. Ruhe, Besinnung und viele Gespräche bei fahlem Lampenschein, in düsteren Ecken und bei Kerzenlicht, hier, mitten im Wald zwischen zahlreichen gemütlichen, hölzernen Bauwerken.

Vielleicht hat das „Fledermausblut mit Schuss“ seinen Beitrag dazu getan, doch wenn wir mal ehrlich sind: Es ist die Nacht, das Reich der Fledermäuse, auf die die Besucher der Batnight gewartet haben. Sie schlägt die Brücke zur Welt derer, um die es bei dieser zauberhaften Veranstaltung ging – unseren Fledermäusen. Einmal mehr ein Grund, häufiger lange auf zu bleiben und den Blick nach oben zu richten. Eine tolle Veranstaltung, Ihr Hessen. Weiter so!

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Sebastian Kolberg
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